Gerichtsverhandlung in Malaysia

"Hängt die Richter, hängt die Anwälte" war einst ein beliebter Spruch von Malaysias Ministerspräsident Mahathir Mohammed. Doch "Dr. M." - wie ihn seine Anhänger liebevoll nennen - scheint während seiner 18jährigen Amtszeit pragmatischer geworden zu sein. Denn ein Richterspruch sorgte dafür, daß der stellvertretende Regierungschef und Finanzminister Anwar Ibrahim, für sechs Jahre von der politischen Bühne verschwindet. In der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur verurteilte ein Gericht Anwar vergangene Woche wegen Amtsmißbrauch: Anwar habe in polizeiliche Ermittlungen gegen ihn eingegriffen und Druck auf Zeugen ausgeübt. Ursprünglich war er wegen "unnatürlicher Sexualpraktiken", insbesondere wegen Geschlechtsverkehr mit seinem Chauffeur, angeklagt worden. Doch auf der alten Matratze, die während Wochen im Gerichtssaal als wichtigstes Beweismittel ausgestellt war, konnten sogenannte Experten keine Spermaspuren Anwars finden. Nachdem sich vor Gericht auch noch herausstellte, daß die meisten Zeugenaussagen unter Drohungen und Folter durch die Polizei zustande gekommen waren, zog sich die Anklage auf den Vorwurf des Amtsmißbrauchs zurück.

Anwar, der bei seiner Festnahme im Herbst letzten Jahres vom inzwischen zurückgetretenen Polizeichef Abdul Rahim Noor bewußtlos geprügelt wurde, sieht sich als Opfer einer Verschwörung von Ministerpräsident Mahathir. Er war über lange Zeit als möglicher Nachfolger von Mahathir gehandelt worden und setzte sich, als die Wirtschaftskrise auch in Malaysia ausbrach, an die Spitze der Oppositionsbewegung.