Gruppensex mit Glatze

Bruce LaBruce' Porno über die intime Nähe der Schwulenszene zur Skinmode

Die Punks, obwohl zumeist antimilitaristisch eingestellt, brachten in den achtziger Jahren seltsamerweise die Springerstiefel in Mode. Die Friedensbewegung ging gerne im Bundeswehr-Parka zur Demo, staatsfeindliche Schüler liebten amerikanische Militärtaschen, auf die sie mit Kuli das "RAF"-Zeichen krakelten. Verrückte Welt.

Kürzlich konstatierte eine Journalistin, die Stimmung in Deutschland habe sich schleichend zum Kriegerischen gewandelt, und verwies auf die Skinheads: kahle Schädel, schwere Schuhe, militantes Soldateska-Gehabe. Nun, wenigstens in der Mode scheinen die Männer, die am Kopf dieselbe Frisur haben wie am Arsch, nicht allein für die Militarisierung des Alltags verantwortlich zu sein.

Daß der Kurzhaar-Krieger dennoch zur Ikone der Brutalität wurde, ist nicht allzu verwunderlich: Der Bomberjacken-Look gilt rechts wie links als zeitgemäßes Abbild des antikapitalistischen, bündischen Kämpfers und blieb nicht unbedingt in seiner (sub-)proletarischen Umgebung. Künstler schätzen die Glatze. Und nicht zuletzt ist man in der Schwulen- und Lesbenszene nicht unbeeindruckt geblieben vom martialischen Aussehen: die Damen im Bundeswehr-Pullover und mit kahlen Köpfen, die Herren im klassischen Dock-Arbeiter-Look, zuweilen auch mit Lederstiefeln und auch Reitgerte und Uniform.

Vor drei Jahren gab es in einer Tageszeitung darüber eine schöne Leserbrief-Debatte: Ein linker Skin beschwerte sich über den Autor eines Artikels, in dem Skinmode verteufelt wurde, und durfte in einem Interview seine Sicht der Dinge darstellen ("Wir haben hier die ganze Stadt von den Nazis gesäubert!"): Er gehöre ja nicht zu den "Stiefelglatzen", sondern zu den Redskins. Im nächsten Schritt beschwerte sich nun eine "Stiefelglatze": Er sei nicht gewalttätig, nur weil er Uniformen liebe, schrieb ein schwuler junger Mann, doch er werde, wenn er mit Freund in der Bahn unterwegs sei, durchaus und ungerechterweise beschimpft.

Ein dritter Leser aus dem linken, schwulen Spektrum, dem der Zeitungsartikel offensichtlich überhaupt nicht gefiel, war der Ansicht, der Autor gehöre "mal kräftig durchgefickt". Eines aber schien bei allen Beteiligten einheitlich: Der Glatzkopf und die anderen Insignien der Skin-Mode wurden mit den jeweils individuell zur Verfügung stehenden Mitteln und Argumenten aufs härteste verteidigt.

Daß ein kahler Kopf nicht unbedingt das Denkvermögen erhöht, fiel jetzt auch dem kanadischen Regisseur Bruce LaBruce auf. Leidtragende nazistischer Gewalttaten seien oft Schwule, konstatiert der 34jährige, um so seltsamer sei ihre Faszination für eben die körperästhetische Form, die ihre Schinder präferieren. "Auf Reisen nach London und Berlin sah ich mit Erstaunen, daß der Skinheadlook der neue dominante schwule Look ist."

Bruce La Bruce, der Underground-Star, räumt ein, daran nicht unschuldig zu sein. Sein erster Film, "No Skin Off My Ass", zeige die Liebe zwischen einem Friseur und einem Skinhead, er sei ein Kultfilm geworden. Offenbar diene die Skinhead-Mode als militantes Statement. "Die Unterdrückten übernehmen die Uniformen ihrer Unterdrücker. Dies ist eine gefährliche Strategie, besonders wenn man die historische Beziehung zwischen Homosexualität und Faschismus berücksichtigt. Nicht nur, daß in vielen faschistischen Diktaturen es immer unterschwellige homosexuelle Aktivitäten gab, was immer verneint oder unterdrückt wird, sondern auch Teile der schwulen Subkultur haben immer wieder faschistische Bilder sexualisiert und fetischisiert, etwa die brutale Polizei, das Militär oder sogar die Nazis direkt."

Nun ist LaBruce ein talentierter Filmer, der vor allem mit "Hustler White", einer ungewöhnlichen Schwulenkomödie mit Pornoanteil, breiteren Kreisen bekannt wurde, und er behandelt das Thema in bekannter Weise: Für die Berliner Filmproduktion Cazzo drehte er einen Porno über schwule Nazi-Glatzen.

Reinhold (Tom International) und seine Skinheadgang machen die Straßen und Parks von London unsicher, überfallen andere Männer, beklauen sie oder lassen sie ihre Stiefel lecken. Eines Tages schmeißt er seine Freundin Cameltoe (Nikki Richardson) unter dem Beifall der Freunde raus. Die beschließen jetzt, Geld aufzutreiben, und dafür machen sie sich an ein schwules Pärchen ran. Nach einigen Fick- und Wichsaktionen unter dem Einfluß von Dosenbier und deutschen Pornos, die in Reinholds Fernseher laufen, ziehen die Männer los, um das Paar in der Wohnung zu überfallen. Die beiden werden gefesselt und gewaltsam zu sadistischen Bums-Spielchen mißbraucht. Doch den beiden gelingt es, die Gruppe zu überwältigen, jetzt geht das ganze andersrum: Die Skins müssen für die Gelüste des Paares herhalten.

Der Film bedient sich der üblichen Optik, mit schlechter Ausleuchtung, Handkamera etc. Untermalt wird die Szenerie mit Easy-Listening-Tracks ˆ la Peter Thomas und zuweilen mit Hardcore-Punk. "Skin Flick" existiert als Soft-Version für Länder, in denen Penetrationen nicht gezeigt werden dürfen, und als eine harte Version für Deutschland und andere Länder, in denen P-Filme legal sind. (Diese wird möglicherweise in einem halben Jahr zu sehen sein, der Verleih ist sich da nicht ganz sicher).

Er habe einen Porno- und gleichzeitig einen Anti-Pornofilm drehen wollen, und zugleich ein Statement zu schwulenfeindlichen Typisierungen. Ganz schön viel für 70 Minuten: Um ein Abgleiten in reine Gewaltästhetik zu verhindern, unterbrechen die Schauspieler ihr Spiel, nehmen wiederum als Figuren des Films erstaunliche Selbstpositionierungen vor: "Ich komme aus Rußland, der da aus Deutschland, vor 50 Jahren schlugen sich unsere Großväter tot, und ich hätte nie geglaubt, daß man Deutsche so gut ficken kann - I like that German sperm" usw. Einer der Skins wird von einem jungen Israeli gespielt, da fällt manch flapsige Bemerkung zum eigenen Treiben, zu Militarismus und Nationalismus, obendrein werden Gedichte des russischen Schriftstellers Yaroslav Mogutin rezitiert.

Nun haben wir bei Filmen dieser Art natürlich jede Menge zu lachen; andererseits kann man "Skin Flick" vorwerfen, hier werde mit der Kritik an der Fetischisierung von Nazi-Mythemen genau diese Fetischisierung vorgenommen. Sie haben ja alle ganz schön Spaß, unsere Jungs. Nach dem Ende bleibt allerdings das Bild gruppenwichsender Kahlschädel, und das dürfte die inkriminierte Klientel dann doch schon treffen. Die Spirale einer optischen Militarisierung der Schwulenszene aber zurückzudrehen, die Entwicklung aufzuhalten, zu der LaBruce selbst beigetragen hat, dürfte damit nicht erreicht werden, auch wenn die kritische Aufmerksamkeit auf den schwullesbischen Kriegs-Look gelenkt wird. Da verhält es sich wie mit vielen Projekten, die sich filmisch mit Nazis, Skin-Bünden oder den VerehrerInnen ihrer modischen Einflüsse beschäftigen: Ob schwul oder nicht, sind sie seltsam kritik- und ironieresistent.

"Skin Flick". D 1999. R: Bruce LaBruce, D: Steve Master, Eden Miller, Ralph Steel, Tom International, Nikki Richardson, Jens Hammer. Start: 29. April