Öl für Khartum

Nach den gescheiterten Friedensgesprächen der Bürgerkriegsparteien im Sudan präsentiert sich das islamistische Regime als Sieger

Selbst auf dem Kontinent der Kriege gibt es besonders tragische Fälle. Zu ihnen gehört der Sudan. Mit nur einer, wenn auch längeren Unterbrechung - von 1972 bis 1983 - wird dort seit der Unabhängigkeit des Landes (1956) gekämpft. Die Folgen sind unübersehbar: Vor allem der südliche Landesteil ist völlig unterentwickelt, ein Afrika innerhalb Afrikas.

Besonders arg hat es die Region Bahr-el-Ghazal, traditionelle Hochburg der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA), getroffen. Im Land der Dinka, der größten Bevölkerungsgruppe im Süd-Sudan, gab es im vergangenen Herbst, wie schon so häufig zuvor, eine Hungerkatastrophe. Daß das Massensterben nach einer Weile gestoppt werden konnte, ist nur einer der großen Hilfsaktionen der Uno zu verdanken.

Damit solche Aktionen nicht von Jahr zu Jahr wiederholt werden müssen, waren für Anfang vergangener Woche in Kenias Hauptstadt Nairobi wieder einmal Friedensgespräche unter der Schirmherrschaft der Regionalorganisation am Horn von Afrika (IGAD) angesetzt worden. Da ähnliche Verhandlungen in den letzten Jahren in sechsmonatigem Rhythmus stattfanden, war bereits vorher

so gut wie klar, daß es keine konkreten Ergebnisse geben würde. Trotzdem ist die Absage der Gespräche symptomatisch für die Haltung der Kriegsparteien. Auch deswegen, weil die Schuld dafür wohl zum Großteil der SPLA angelastet werden muß.

Bereits Mitte Februar waren drei Vertreter der sudanesischen Regierung und ein Mitarbeiter des Internationalen Roten Kreuzes (IRK), die eine IRK-Delegation begleiteten und dabei durch einen von der SPLA kontrollierten Teil in der Region Upper Nile gefahren waren, festgenommen worden. Die Inhaftierung rief Proteste des IRK, der Uno und einiger westlicher Botschaften hervor. Die SPLA kümmerte das wenig, handelte sich nach ihrer Einschätzung doch um "Spione".

Nur wenige Wochen später waren die vier Inhaftierten tot; nach Angaben der SPLA sind sie "im Kreuzfeuer bei einem Rettungsversuch der Regierungsarmee umgekommen". Das IRK teilt diese Version nicht und macht die SPLA verantwortlich. Auch die islamistische Regierung in der sudanesischen Hauptstadt Khartum reagierte: Sie drohte mit der Absage der geplanten Gespräche, sollten die Leichen nicht übergeben werden. Die SPLA wiederum lehnte mit der Begründung ab, die Rückgabe sei "unvereinbar mit der Situation von Zehntausenden vom Khartum-Regime Getöteten, die kein anständiges Begräbnis hatten". Dies ist gewiß keine falsche Behauptung. Ebenso ist aber auch die Tatsache allgemein bekannt, daß die SPLA die Leichen von Regierungssoldaten mit Vorliebe in der Sonne verrotten läßt, um die Regierung zu provozieren. Nach der islamischen Tradition müssen Leichen unmittelbar nach dem Tod begraben werden.

Doch die meisten Staaten und vor allem die im Sudan engagierten Hilfsorganisationen sind schon länger schlecht auf die SPLA zu sprechen. Sie geben der Befreiungsbewegung eine Mitschuld an der Hungersnot vom vergangenen Herbst. Kerobino Bol, ein Gründungsmitglied der SPLA, war wieder einmal auf die Seite der Regierung gewechselt, entschloß sich aber im April 1998, die Seite erneut zu wechseln und meuterte mit seinen Truppen in der Regierungsgarnison Wau. Viele Menschen mußten vor den Kämpfen fliehen und waren so verschärft dem Hunger ausgesetzt. Inzwischen ist Bol wieder auf die Seite der Regierung gewechselt. Die Uno mußte daraufhin eine Luftbrücke für mehr als eine Million Menschen organisieren.

Im März dieses Jahres gab nun die sogenante IPF-Gruppe - die Geberländer und -organisationen vereinigt, welche den Friedensprozeß begleiten - der SPLA einen deutlichen Wink. Es werde schwierig sein, hieß es nach einem Treffen, die augenblickliche Hilfe der Geber auf lange Zeit aufrechtzuerhalten. SPLA-Sprecher Samson Kwaje konterte umgehend gegenüber dem UN-Informationsdienst IRIN: "Wir wollen das dem Gewissen der Geber überlassen. Wir hoffen allerdings, daß sie nicht die humanitäre Hilfe von der Politik abhängig machen." Soll heißen: Es interessiert uns einen Dreck, wie es der Bevölkerung in den von uns kontrollierten Gebieten geht. Sie am Leben zu erhalten, ist eure Sache.

Natürlich weiß die SPLA, daß das islamistische Regime im Sudan auf der US-Liste der Schurken-Staaten steht. Und, sollte es wieder zu einer Hungersnot kommen, daß dem Westen gar nichts anderes übrigbleibt, als wieder teuere und ineffiziente humanitäre Hilfe zu leisten. Dennoch trägt die SPLA die Verantwortung für den Zustand der von ihr teilweise schon seit Jahren kontrollierten Regionen. Eine zivile Verwaltung hat sie dort erst 1995 aufgebaut - also 13 Jahre nach dem Beginn des Krieges - und das auch nur, wie zahlreiche Medien behaupten, auf Druck der USA.

Auch täuscht die SPLA sich und andere, wenn sie glaubt, den Krieg jemals gewinnen zu können. Seit drei Jahren wird davon gesprochen, daß die Einnahme von Juba, der Hauptstadt des südlichen Landesteiles, unmittelbar bevorstehe. Dasselbe gilt für andere Garnisonsstädte, die im ansonsten von der SPLA kontrollierten Süd-Sudan eingeschlossen sind und von der Regierung über den Luftweg oder durch bewaffnete Konvois versorgt werden müssen.

Nachdem die Regierung in Khartum im vergangenen Jahr im nördlichen Landesteil unter Druck zu stehen schien - es war schwierig geworden, neue Kämpfer zu finden -, kann sie sich inzwischen wieder beruhigt zurücklehnen. Das Verbot, politische Parteien zu gründen, wurde offiziell aufgehoben (zugelassen werden allerdings nur regimetreue Parteien). Dennoch: Auch wenn diese Reformen das politische Monopol der Nationalen Islamischen Front nicht bedrohen, so haben sie doch die innenpolitische Repression leicht gemindert.

Der SPLA hat Khartum außerdem ein Referendum zur Unabhängigkeit des südlichen Landesteiles angeboten. Doch führte die Offerte prompt zur Uneinigkeit bei den Südsudanesen. Bei den letzten Friedensgesprächen in Addis Abeba war schon gemeldet worden, die SPLA habe den Vorschlag akzeptiert, bis dann am nächsten Tag SPLA-Chef John Garang persönlich dementierte. Garang möchte lieber am Bündnis mit den exilierten Oppositionsparteien des Nordens festhalten, die, als sie an der Macht waren, selbst gegen die SPLA gekämpft hatten.

Aber auch außenpolitisch sieht es wieder besser für die Islamisten in Khartum aus. Durch den eritreisch-äthiopischen Konflikt ist die Front der drei feindlichen Nachbarstaaten - Eritrea, Äthiopien und Uganda - zerbrochen. Äthiopien hat nach einem Abkommen mit der sudanesischen Regierung Anfang des Jahres bekanntgegeben, daß es seine Armee aus der sudanesischen Grenzstadt Kassala abgezogen hat (die Besetzung war natürlich zuvor vehement abgestritten worden). Uganda hingegen läßt seine Armee nach wie vor bisweilen die Grenze überqueren, wenn auch nicht mehr so häufig. Eritrea beschränkt sich auf gelegentliches Artilleriefeuer über die Grenze.

Hinzu kommt, daß der Erdölexport aus Bentiu (Region Upper Nile) demnächst wohl erstmals Erträge abwerfen wird. Diese Region liegt im südlichen Landesteil, wird von Riek Machiars SSIM kontrolliert, der sich Anfang der neunziger Jahre von der SPLA getrennt und auf die Regierungsseite geschlagen hatte. Die BBC (African Service) zitierte Anfang April Regierungsstellen, nach denen das Exportterminal südlich der Hafenstadt Port Sudan am 1. Juni fertiggestellt sein soll. Dann könne der Export von täglich 150 000 Barrel beginnen.

Der Sudan würde so mit einem Schlag zum neuntgrößten Erdöl-Exporteur in Afrika. In zwei Jahren soll der Ausstoß auf 400 000 Barrel pro Tag gesteigert werden. Bei einem augenblicklichen Barrel-Preis von 13 US-Dollar läßt sich leicht ausrechnen, welche zusätzlichen Einnahmen die Regierung künftig haben wird.