Telecom nazionale

Der Weiße Ritter

Das Starren auf den Börsenkurs seines Unternehmens macht Franco Bernabè, Chef der Telecom Italia, ziemlich kribbelig. Er kann machen, was er will - die Aktien des privatisierten Staatsbetriebs wollen einfach nicht steigen.

Sie sind so billig, daß die Kontrolle über Italiens Telekommunikations-Infrastruktur vielleicht bald durch den ehemaligen Schreibmaschinenhersteller Olivetti ausgeübt werden könnte. Nicht einmal die Ankündigung der Fusion mit der Deutschen Telekom zum zweitgrößten Telefondienstleister der Welt hat die Turiner davon abgehalten, eine feindliche Übernahme der Telecom Italia zu versuchen: Bis zum 21. Mai kann man italienische Telecom-Aktien, die am Freitag 10,015 Euro wert waren, gegen Olivetti-Anteile im Wert von 11,5 Euro tauschen.

Mit der Deutschen Telekom glaubte Bernabé den ersehnten "Weißen Ritter" gefunden zu haben (Jungle World, Nr. 18/99). So nennt man in den Banken und Börsen einen Fusionspartner, der ein bedrohtes Unternehmen vor dem Ausverkauf an ungeliebte Konkurrenz retten soll. Das funktioniert nur dann, wenn die umworbenen Besitzer von Telecom-Italia-Aktien glauben, daß die zukünftigen Dividenden des deutsch-italienischen Telefonriesen mehr wert sind als bares Geld von Olivetti.

Der Weiße Ritter hat aber in den Augen vieler Italiener einen gewaltigen Makel: Er kommt aus Deutschland und ist fest in staatlicher Hand. Die italienische Regierung weigert sich weiterhin, die Deutsche Telekom ins Land zu lassen - zuerst müsse sich die Bundesregierung dazu verpflichten, ihre Anteile von 72 Prozent an der Telekom schnellstmöglich zu verkaufen. Deren Zusicherung, sich nicht in die Geschäfte der Telekom einzumischen, reicht nicht: Eine Übernahme der Telecom Italia durch ein deutsches Staatsunternehmen könne man in Rom einfach nicht akzeptieren, insistierte der italienische Kommunikationsminister Claudio Cardinale.

Einen ungeschickten Wutausbruch leistete sich Franco Bernabè angesichts dieser Sturheit vergangene Woche. Auf einer Videoansprache vor 2 000 Mitarbeitern beschimpfte er seine Vorgesetzten aus der italienischen Regierung als Pleitegeier: Wenn Olivettis Übernahmeofferte Erfolg habe, "ist es für Telecom Italia besser, Konkurs anzumelden". Olivetti kann den Angriff auf den Monopolisten nur durch Schulden finanzieren, mit denen sich dann Bernabè herumschlagen müßte.

Statt ihm bei der Gegenwehr zu helfen, boykottiere die Regierung systematisch das Zusammengehen mit der Deutschen Telekom: "Alle Entscheidungen der Regierung und der Behörden waren von Anfang an zugunsten des Angreifers." Später entschuldigte sich der Manager, der sich im "Belagerungszustand" fühlt, für diese Äußerungen, aber die erhoffte Fusionsgenehmigung brachte ihm das auch nicht ein.

Die ganze Affäre sorgt für nationale Frühlingsgefühle: Italienische Industrielle wollen jetzt den "Ausverkauf an die Deutschen" verhindern. Der Fininvest-Konzern von Oppositionsführer Silvio Berlusconi will deshalb Olivetti unterstützen. Auch der italienische Versicherungskonzern Generali, bisher noch Großaktionär bei der Telecom Italia, glaubt an einen Erfolg der Attacke.

Wenn es in drei Wochen soweit sein sollte, sind es übrigens auch Deutsche, die auf Italiens Telefon-Markt mitmischen: Einer der Besitzer von Olivetti ist die Mannesmann AG. Aber die sind für Italiens Industriebosse schließlich Kollegen und keine Telefon-Imperialisten.