Pazifismus auf gründeutsch

Kompromißlos

Da sind sich grüne Kriegsgegner wie Uli Cremer und Christian Simmert einig: Auf dem Sonderparteitag am Donnerstag nächster Woche in Hagen wird es keinen Formelkompromiß geben. Die Vehemenz, mit der zur Zeit im grünen Milieu über den Nato-Krieg in Jugoslawien gestritten wird, scheint den linken Kritikern Recht zu geben: Zwischen denen, die den verhaßten Balkan-Hitler samt seiner Tschetniks im Namen des Pazifismus in die Kapitulation bomben wollen, und jenen, die im selben Namen eine sofortige bedingungslose Einstellung der Luftangriffe fordern, besteht aktuell eine beinahe unüberwindliche Kluft. Damit könnte, so fürchtet man bei den Grünalternativen, nicht nur die Koalition, sondern gleich auch noch die ganze Partei baden gehen.

Folgerichtig drohte Jürgen Trittin am vergangenen Wochenende: "Wer die Kosovo-Entscheidung als Richtungsentscheidung inszeniert, der bringt die Grünen einen Schritt weiter an den Abgrund." Soll heißen, wer tatsächlich meint, in Hagen über die Legitimität grüner Kriegspolitik diskutieren zu wollen, trägt zur Spaltung der Partei bei. Allein auf die Autorität des geläuterten Rebellen wollte man sich jedoch in den Spitzengremien nicht verlassen. So trat der grüne Bundesvorstand mit einem Eckpunkte-Papier zu Bundesdelegiertenkonferenz in Hagen auf den Plan.

Das Etappenziel: Deeskalation, ohne die Bonner Linie in Frage zu stellen. Schließlich gerate "die Legitimität der militärischen Operationen in den Augen vieler Mitglieder wie auch bei weiten Teilen der Öffentlichkeit zunehmend unter Druck", auch wenn sich mittlerweile zahlreiche Landesverbände hinter Frontmann Joseph Fischer gestellt haben. Herausgekommen ist eine mehrseitige Gebrauchsanweisung, in der die Führung erklärt, wie man guten Gewissens Krieg führen kann, auch wenn die grüne Seele doch eigentlich nach Frieden schreit.

Dabei gibt man sich zunächst selbstkritisch. So räumt der Vorstand etwa ein, die Nato-Angriffe hätten "in wachsendem Maß zivile Opfer verursacht, politisch negative Wirkungen ausgelöst und auch eine Reduktion auf's militärische Denken gefördert". Freilich vergessen die Autoren und Autorinnen nicht, die eigene pazifistische Rolle hervorzuheben: "Wir Grüne haben diese negativen Seiten von Anfang an thematisiert und immer kritisiert." Die Devise: sowohl als auch. So teile man beispielsweise "einerseits nicht die Forderung nach einem generellen, bedingungslosen, einseitigen Ende der militärische Aktionen der Nato", kritisiere aber andererseits "Tendenzen der Nato zu einer unflexiblen, ultimativen Politik". Ohne den militärischen Druck gegen die serbische Seite könne man die humanitären Ziele nicht erreichen, ebensowenig aber ausschließlich mit militärischem Druck.

Will sagen: Pazifismus schön und gut, als ultima ratio der Macht aber braucht es dann doch ein notwendiges Maß an kriegerischer Handlungsfähigkeit. Eine banale Erkenntnis, so banal, daß sich ihrer die grüne Führung auf dem Weg in die Berliner Republik programmatisch längst verschrieben hat. Daß die innergrünen Kriegsgegner dennoch ihrer Partei die Treue gehalten haben, spricht für das idealistische Verständnis von Pazifismus, an dem man jenseits politischer Kategorien festgehalten hat. Spätestens mit dem Kriegseintritt ist dieser Begriff als gemeinsames grünes Essential überflüssig geworden. Und damit auch ein Formelkompromiß, der eine Spaltung verhindern sollte.