Wechselnde Allianzen

Zur Beendigung des Kriegs im Kongo setzt Kabila auf Verhandlungen - ohne seine Gegner

Meldungen über geplante Friedensverhandlungen und vereinbarte Waffenstillstands-Abkommen häuften sich in den vergangenen zwei Wochen - geht der Krieg im Kongo, dem ehemaligen Zaire, dem Ende entgegen? Nur wenig spricht dafür. Denn beide Konfliktparteien gehen noch immer davon aus, daß sie den Krieg gewinnen können.

Der Präsident des Kongo, Laurent-Désiré Kabila, kämpft zusammen mit Truppen aus Angola, Zimbabwe, Namibia, Tschad und Sudan gegen die Rebellen, die weite Teile des kongolesischen Ostens kontrollieren und von Uganda und Ruanda gestützt werden. An der entscheidenden Front, in den rohstoffreichen Gebieten in Katanga und Kasai im Süden des Landes, so sagen Militär-Experten, können die Rebellen die Verteidigung der zimbabwischen und angolanischen Truppen nicht durchbrechen. Trotzdem hoffen die Rebellen, daß die Zeit für sie spielt und daß insbesondere die hohen Kosten des Krieges die Kabila-Allianz zum Aufgeben zwingen werden.

Die Kabila-Allianz hingegen spekuliert darauf, daß es ihr gelingen wird, den Krieg durch die von ihr unterstützten Guerilla-Gruppen nach Ruanda und Uganda zu tragen, so daß diese wieder einen Großteil ihrer Armeen zurückziehen müssen.

Auf seiten der Rebellenfront hat eine erstaunliche Entwicklung stattgefunden. Für Uganda und Ruanda, die fast zehn Jahre lang ihre Politik in der Region der Großen Seen eng koordinierten, stehen inzwischen wieder die je eigenen Interessen im Vordergrund. Ruanda setzt auf die Kongolesische Sammlungsbewegung (RCD) mit Sitz in Goma, während Uganda die Kongolesische Befreiungsbewegung (MLC) mit Sitz in Kisangani aufgebaut hat.

Der RCD, der im August 1998 den Aufstand gegen Kabila gestartet hatte, ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Arthur Zahidi N'Goma, einer der glaubwürdigen kongolesischen Oppositionspolitiker, hat den RCD Anfang des Jahres mit dem Vorwurf verlassen, er werde von einer "Mafia" regiert. RCD-Präsident Ernest Wamba di Wamba floh Anfang April nach Kisangani und begab sich damit de facto unter ugandische Protektion. Der kenianischen Wochenzeitung East African sagte er: "Diejenigen, die mich ablösen wollen, sollten es öffentlich tun. Es gibt keinen Coup (gegen mich), aber es ist etwas faul in Goma."

Nun gibt es neue Chefs. East African zitiert "ruandische Sicherheitsquellen": "Die RCD-Aktivitäten werden im Augenblick von Lunda Bululu koordiniert. Sein Stellvertreter ist Bizima Karaha." Der erste war ein dem Ex-Diktator Mobutu nahestehender Ministerpräsident während der Übergangsperiode, der zweite der Außenminister unter Kabila; er ist Tutsi und derjenige, der den Kontakt zu Ruanda hält.

Der gänzlich von Uganda abhängige MLC hat seit Ende vergangenen Jahres im Nordosten des Kongo eine Region zwischen Kisangani und der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik erobert. Sein Chef, Jean-Pierre Bemba, ist Anhänger des von Kabila 1997 gestürzten Ex-Diktators Mobutu und Sohn des Milliardärs und ehemaligen Vorsitzenden des zairischen Unternehmerverbandes, Jean Bemba. Mobutu betraute Jean-Pierre mit verschiedenen delikaten Aufträgen und half ihm, selbst ein beträchtliches Vermögen anzuhäufen. Die französische Zeitschrift Jeune Afrique schreibt, daß Bembas Rebellen vor allem aus Soldaten der ehemaligen Mobutu-Armee bestehen.

Auch Kabila war in den vergangenen Wochen nicht untätig. Seine Allianz der demokratischen Kräfte für die Befreiung Kongo-Zaires (AFDL) löste er Mitte April per Ansprache im staatlichen Fernsehen auf - mit den denkwürdigen Worten, sie sei ohnehin nur "eine Ansammlung von Abenteurern und Opportunisten" gewesen. Für die Allianz hatte er gleich einen Ersatz parat: Die "Macht-dem-Volke-Komitees". Am letzten Samstag im April nahm Kabila auf einem Kongreß in Kinshasa die Vorschläge der 4 000 Delegierten für eine neue Verfassung und anschließende Wahlen an.

Die Veranstaltung im noch zu Mobutus Zeiten von China erbauten "Volkspalast" dürfte nach Kabilas Geschmack gewesen sein. Sein "Kommunikationsberater" Dominique Sakombi, ein religiöser Wirrkopf, der schon den salbungsvollen Personenkult Mobutus organisiert hatte, deklamierte die Resolutionen des Kongresses, der wiederum mit stehenden Ovationen reagierte. Kein Platz ist in diesem System für die anderen politischen Akteure: Parteien und Menschenrechtsorganisationen. Auch die Kirchen bleiben außen vor.

Obwohl die Wirtschaft in den von ihm kontrollierten Gebieten kurz vor dem Zusammenbruch steht, erfreut sich Kabila weiterhin großer Beliebtheit. Die Angestellten des riesigen Bergbaubetriebes Gecamines, die seit Dezember nicht mehr bezahlt wurden, streikten vergangene Woche in Kinshasa und Lubumbashi. Seit der dem zimbabwischen Präsidenten Robert Mugabe nahestehende Geschäftsmann Bill Rautenbach das Management übernommen hat, befürchten sie Massenentlassungen. Devisen sind rar, nachdem die Regierung deren freien Handel gestoppt hat, um den Fall des kongolesischen Franc gegenüber dem US-Dollar aufzuhalten; und die Nahrungsmittel werden knapp, weil die Importeure keine Devisen haben, um ihre Einfuhren zu bezahlen. Außerdem mußte die Regierung den Benzinpreis in der vergangenen Woche verdreifachen, was den Verkehr so gut wie lahmgelegt hat.

Die politische Diskussion wird dennoch in erster Linie von dem bewaffneten Konflikt bestimmt. Der Kongreß der Volkskomitees sollte ursprünglich den Auftakt für eine "Nationale Debatte" aller politischen Akteure am vergangenen Wochenende bilden. Sie sollte in der St. Egidius-Gemeinde in Rom ausgetragen werden. Allerdings waren zu der Debatte lediglich 257 politische Persönlichkeiten eingeladen und keine politischen Organisationen - ein Modus, der der Situation im Kongo, in dem fast die Hälfte des Landes von Rebellen kontrolliert wird, Hohn spricht. Sowohl RCD als auch MLC sagten ihre Teilnahme folglich ab.

Daraufhin verschob die Regierung Kongos die Gespräche, weil "der Bitte um finanzielle Hilfe nicht nachgekommen wurde" - ein Zeichen, daß von vornherein niemand an einen Erfolg glaubte. Nun sollen sie am 8. Mai in Nairobi stattfinden. Eine offizielle Absage der Rebellen liegt zwar noch nicht vor. Sie wurde jedoch schon für den Fall angekündigt, daß der Einladungsmodus nicht geändert werde. Nach Angaben eines kongolesischen Botschaftsvertreters in Kenia werden die Gespräche jedoch auch ohne die Rebellenvertreter stattfinden. Da auch wichtige politische Akteure wie die Menschenrechtsorganisation ASADHO und der bedeutendste kongolesische Oppositions-Politiker Etienne Tshisekedi schon abgewinkt haben, werden sie dann bestenfalls eine Farce.

Noch eigenartiger war das Schicksal eines Abkommens vom vorletzten Wochenende zwischen dem ugandischen Präsidenten Museveni und Kabila. Die libysche Nachrichtenagentur Jana hatte gemeldet, die beiden Präsidenten hätten im Beisein von Muammar al-Gaddafi sowie den Staatschefs von Eritrea und Tschad einen Waffenstillstand, den Rückzug der ugandischen Truppen und deren Ersetzung durch eine afrikanische Friedenstruppe vereinbart. Kaum war die Tinte trocken, berichtete die offiziöse ugandische Tageszeitung New Vision, es habe sich um "ein Abkommen, das kein Abkommen war", gehandelt. Museveni habe unterschrieben, um seinen "alten Verbündeten", Gaddafi, glücklich zu machen. Das war nicht ohne Ironie: Die politischen Beziehungen zwischen den beiden sind seit einigen Jahren auf dem Tiefpunkt.

Auch die andere Seite zeigte Humor. Nach libyschen Angaben sollte die Friedenstruppe aus eritreischen und libyschen Soldaten bestehen. Eritrea steckt mitten in einem Krieg mit Äthiopien und hat im März eine empfindliche Niederlage erlitten. Woher das Land die Soldaten für die Friedenstruppe nehmen sollte, wird wohl ein Geheimnis bleiben.