Schal, schaler, Rugova

Nach der Abreise Ibrahim Rugovas baut die UCK ihre Position im Kosovo aus

Auch das Leben eines VIPs ist zuweilen entbehrungsreich. Zwar muß Ibrahim Rugova seit Mittwoch vergangener Woche nicht mehr - angeblich unter Hausarrest - im zerbombten Pristina darben und dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic kamerawirksam die Hand schütteln. Doch auch die Behandlung als Gast der italienischen Regierung hat den "Präsidenten" des Kosovo politisch nicht gestärkt.

Während westliche Diplomaten in Rugovas streng bewachtem Domizil in Rom die Türklinken putzen und salbungsvolle Worte über ein Ende der balkanischen Malaise erwarten, ist der gemäßigte Politiker innerhalb der zerklüfteten Machtstrukturen des kosovo-albanischen Establishments isolierter denn je. So meint etwa der Europa-Sprecher der UCK, Sabri Kicmari, die wirklichen Hintergründe der ungewöhnlich problemlosen Ausreise von Rugova ins sonnige Rom zu kennen: "Die serbischen Behörden haben bemerkt, daß ihnen Rugova in Jugoslawien nicht helfen kann und haben versucht, ihn politisch zu reanimieren."

Ein Versuch, der nach den Worten Kicmaris ordentlich danebengegangen ist: "Sie brauchen ihn in Rom dringender als in Pristina oder Belgrad. Deshalb haben sie ihm zwei Aufgaben mit auf den Weg gegeben: Er soll sich öffentlich gegen die Unabhängigkeit des Kosovo stellen und den Westen überzeugen, die Kooperation mit der UCK zu beenden. Diese Bedingungen hat er akzeptiert." Für die UCK ist die Ausreise Rugovas samt Familie so etwas wie Hochverrat: "Die Mehrheit der Albaner und auch die UCK sehen Rugova als einen, der mit den Serben kollaboriert", so Kicmari.

Während die italienische Regierung versuchte, Rugova durch die Organisation der Ausreise politisch wieder ins Rampenlicht zu zerren, scheint das Engagement eher das Gegenteil bewirkt zu haben. Die UCK legt Wert darauf, daß nur regieren kann, wer auch des Leidens fähig ist. Dementsprechend befinden sich fast alle Minister der von der UCK dominierten Schattenregierung entweder im Kosovo selbst oder zumindest im ebenfalls ungemütlichen Albanien.

Rugova aber befindet sich nun in der gleichen Lage wie der von der UCK bedrängte andere Kosovo-Premier, Bujar Bukoshi. Dem wird vorgeworfen, Geld gehortet und nicht an die UCK abgeliefert zu haben, sondern sich mit diesem Geld einen komfortablen Lebensstil in Bonn zu finanzieren.

Ein Dorn im Auge ist den zu Regierungsehren gekommenen Ex-Guerillas auch die Weigerung Bukoshis, die "UCK-Regierung" von Hashim Thaqi zu akzeptieren. Das gleiche wird auch Rugova vorgeworfen: "Herr Rugova weigert sich immer noch, die Regierung der UCK anzuerkennen. Er meint, selbst den Weg vorgeben zu können, doch das sind Spinnereien", meint Kicmari gegenüber Jungle World.

Dumm gelaufen ist das Arrangement mit der Ausreise auch für die Rugova-Partei LDK: Einige europäische Staaten versuchten wohl, den Einfluß der UCK im Kosovo zu schmälern, indem durch das Dolce Vita Rugovas in Rom auch die LDK wieder verstärkt ins Spiel gebracht werden soll. Aber auch hier scheint das Gegenteil der Fall zu sein. "Die LDK hat praktisch ihren gesamten Einfluß verloren, die Reste der Rugova-Partei unterstützen eher die Positionen der UCK", triumphiert Kicmari im Gespräch mit Jungle World.

Nicht bis Rom geschafft hat es am Freitag letzter Woche der Rugova-Berater Fehmi Agani. Schon seit Wochen rumorte es in der Nato-Gerüchteküche, Agani sei in seinem Haus in Pristina von den üblichen Verdächtigen der serbischen Einheiten erschossen worden. Doch die Chronik eines angekündigten Todes wurde erst jetzt abgeschlossen: Fehmi Agani wurde in der Stadt Lipljani tot aufgefunden. Nach Darstellung der nicht wirklich unabhängigen jugoslawischen Nachrichtenagentur Tanjug haben ihn Kämpfer der UCK auf dem Gewissen. Schon vorher sei Agani von der UCK isoliert worden und nun nach der Abreise Rugovas unnütz gewesen.

Möglich ist aber auch, daß jugoslawische Häscher den Politiker ermordet haben. Nach Informationen des Außenministeriums in Bonn ist Agani in einem Zug nach Mazedonien aufgegriffen worden. Sabri Kicmari sagte gegenüber Jungle World, zumindest sei gesichert, daß Agani in dem Zug von seiner ebenfalls mitreisenden Familie getrennt und danach von serbischer Polizei verhaftet worden sei. Der Nachruf auf den Rugova-Vertrauten fällt nüchtern aus: "Er war immerhin einer der wenigen, die das Spiel Rugovas mit Milosevic nicht mitgemacht haben", so Sabri Kicmari.

Keine Lust zum Mitmachen hat die UCK offenbar auch beim neuen und etwas dürftig ausgefallenen Friedensplan der G8-Außenminister. Besonders stört UCK-Sprecher Kicmari, daß der Plan sich auf die Positionen des Vertrags von Rambouillet zurückzieht. "Für alle, die es noch nicht verstanden haben: Rambouillet ist endgültig tot", so Kicmari. Zwei Kernpunkte des G 8-Planes sind nach den Aussagen Kicmaris ohnehin rundweg abzulehnen: "Die vorgesehene Entwaffnung der UCK kommt nicht in Frage, und die territoriale Integrität Jugoslawiens können wir natürlich auch nicht akzeptieren."

Und so kommt es, daß auch dem von Außenminister Joseph Fischer inszenierten Vertragswerk vermutlich nur eine kurze Lebensdauer beschieden sein wird, da die Hauptakteure nicht in die Verhandlungen eingebunden wurden. Daher stellt sich die Frage, wieso überhaupt ein Forum wie die G 8 sich anmaßt, das Kosovo zu befrieden.

So richtig ernst könnte die Sache auch nicht gemeint gewesen sein: "Die Amerikaner denken vielleicht gar nicht daran, diesen Friedensplan umzusetzen. Das war nur ein Versuch, die Russen zu beruhigen und sie wieder in die Gespräche über das Kosovo einzubinden", mutmaßt UCK-Sprecher Kicmari. Deshalb zeigt sich der Wahl-Bonner auch sicher: "Dieser Plan wird nicht umgesetzt." Da hätte es der fehlgeleiteten Bombe auf die chinesische Botschaft in Belgrad und des zu erwartenden Zerwürfnisses im UN-Sicherheitsrat gar nicht bedurft.

Auch militärisch reüssiert die UCK derzeit. Nato-Sprecher Jamie Shea konnte beim üblichen Nato-Briefing in Brüssel den Journalisten befriedigendes Bildmaterial zeigen. In den letzten Tagen hat es die UCK trotz ihrer immer wieder von Slobodan Milosevic behaupteten endgültigen Zerschlagung geschafft, einige Reservate im Kosovo zurückzuerobern und damit auch die Schutzzone für die von den serbischen Truppen drangsalierte Zivilbevölkerung zu vergrößern. Das dürfte vor allem einer Professionalisierung innerhalb der UCK zu verdanken sein. Nun entscheiden nicht mehr einige UCK-Generalstäbler über militärische Operationen, sondern ihr vorgesetzter Armeechef.

Sabri Kicmari bestätigte gegenüber Jungle World, daß man sich den 39jährigen Aghim Cehu aus Kroatien geholt habe. Bisher diente der Mann als Vize-Kommandant der Fünften Militärregion im Norden Kroatiens und steht im Rang eines kroatischen Brigadegenerals. Allerdings gab Cehu niemals seinen Paß ab und erbat von Franjo Tudjman, dem kroatischen Präsidenten, die Erlaubnis für den Betriebsausflug in den Süden. Da Cehu in Pec im Kosovo geboren wurde, kennt er die geographischen Bedingungen der Provinz recht gut. Derzeit leitet Cehu die UCK-Operationen von Tirana aus und verfügt über beste Kontakte zu den dort stationierten Nato-Truppen. Womit die UCK wohl weiterhin von Erfolg zu Erfolg schießt.