Neuer Handelskrieg zwischen EU und USA

Freiheit für die Rinder!

"Freiheit!" lautet der Schlachtruf des Freiheitskämpfers. Denn Freiheit ist das höchste Gut. Und kein Preis ist zu hoch, wenn es um die Freiheit des Welthandels geht. Nichts darf den freien Warenverkehr aufhalten - und schon gar nicht hormonbelastete Rinder.

Freie Bananenexporte in die EU haben die USA vor dem Gerichtshof der Welthandelsorganisation (WTO) schon erkämpfen können, nun ist ein weiterer Handelsstreit eskaliert. Diesmal geht es um hormonbehandeltes Rinderfleisch. Seit zehn Jahren ist dessen Einfuhr in die Europäische Union verboten. Jetzt planen die USA, Strafzölle auf EU-Lebensmittelimporte zu verhängen, um den Alten Kontinent zur Einfuhr des US-Fleischs zu zwingen.

Die Hormone beschleunigen das Wachstum der Kälber um 15 bis 20 Prozent, doch nach Ansicht der Brüsseler Handelskommission fördern sie möglicherweise auch Krebs, Wachstumsstörungen und Erbgutschäden - und zwar bei den Endverbrauchern. Die WTO hält dies aber bisher für eine unbewiesene Behauptung und hatte daher Anfang des Jahres die EU aufgefordert, bis zum 13. Mai die angebliche Gesundheitsgefährdung zu belegen. Die EU hatte daraufhin gleich 17 Studien in Auftrag gegeben; am Stichtag lag allerdings erst eine davon vor. Ein weiteres Dutzend soll bis Ende des Jahres fertig sein, der Rest wird vermutlich erst im Frühjahr 2000 folgen. Für etwa ein Jahr wollten die Union und die USA daher eine Übergangslösung finden.

Als jedoch vor kurzem bei Stichproben selbst in "garantiert hormonfreiem" US-Fleisch Hormonrückstände nachgewiesen wurden, haben die Europäer ein generelles Einfuhrverbot ab Mitte Juni angekündigt. Daß ihr dabei nur die Gesundheit der Verbraucher am Herzen liegt, darf getrost bezweifelt werden, denn natürlich hat sie auch ein Interesse am Schutz der heimischen Landwirtschaft. Schon beim Importverbot für Hormonfleisch dürfte das ein wichtiges Motiv gewesen sein. Hinzu kommt, daß die Verbraucher in der EU seit der Hysterie um den Rinderwahnsinn besonders sensibel auf dieses Thema reagieren.

Weil die EU das Importverbot bis zum Stichtag nicht aufgehoben hat, beantragen die Vereinigten Staaten nun Strafzölle auf europäische Waren bei der WTO. Die Organisation muß über den Antrag bis Mitte Juni entscheiden, schon kurz danach könnten die Sanktionen in Kraft treten. Dem amerikanischen Unterhändler für Agrarfragen, Peter Scher, zufolge, hat sein Land nach den WTO-Regeln das Recht, Märkte für EU-Waren im Volumen der Exportausfälle zu schließen. Auf Güter im Wert von 200 Millionen Dollar sollen daher bis zu 100 Prozent aufgeschlagen werden. Und 1989, vor dem Beginn des Embargos, hatten die US-Ausfuhren von Rindfleisch in die EU einen Gegenwert von 100 Millionen Dollar.

Der Bundesverband der deutschen Ernährungsindustrie befürchtet, daß die Lebensmittelexporte in die USA im Falle von Sanktionen zusammenbrechen werden. Bereits im Februar hätten die Handelshemmnisse der Vereinigten Staaten im Streit um die EU-Bananenmarktordnung zum Einbruch bei europäischen Exporten von Käse, Keksen, Fruchtsäften, Spirituosen, Wein und anderen exquisiten Lebensmitteln geführt. Für die Freiheit des Warenverkehrs ist die Regierung in Washington sogar bereit, auf den französischen Roten zu verzichten.