Die Berliner 1. Mai-Polizei

Potentielle Gewalttäter

So geht es nicht. Mit Staatseigentum hat man sorgfältig und vorschriftsgemäß umzugehen. Weil er das nicht tat, wurde nun ein Berliner Polizeibeamter, der am 1. Mai nach Zeugenberichten solange auf eine Frau einschlug, bis sein hölzerner Dienstknüppel auf ihrem Kopf zersplitterte, sogar von Kollegen angezeigt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits gegen den Beamten, obwohl von der Frau selbst noch jede Spur fehlt.

Der Berliner PDS-Abgeordnete Freke Over vermutet, es habe sich um eine Zivilpolizistin gehandelt. Denn - wer hätte das gedacht - am 1. Mai waren in Berlin-Kreuzberg jede Menge Zivis unterwegs. Meist eigenständig, wie ein von Over präsentierter Polizeifunkmitschnitt belegt: "Ich weise an, was ich selten mache", tönte es an alle Zivilkräfte, "daß ihr euch zurückzieht auf die Fahrzeuge, und dann werden wir neu sammeln."

Aber auch ihre uniformierten Kollegen haben sich offenbar wie Hooligans aufgeführt. Immerhin befand selbst Hans-Georg Lorenz, innenpolitischer Sprecher der Berliner SPD, das polizeiliche Wüten habe den diesjährigen 1. Mai-Krawall eingeleitet. Ausgetobt haben sollen sich vor allem Beamte der zweiten Bereitschaftspolizeiabteilung, die sonst in Kasernen unter Verschluß gehalten werden.

Mit Schlagstöcken, Fäusten und Füßen rockte die grüne Bande durch Kreuzberg und hinterließ so manchen Kollateralschaden: Eine Frau mußte zweimal operiert werden, weil ihr der Tritt eines Beamten einen offenen Unterschenkelbruch bescherte. Anderen wurde nach der Festnahme mit Fäusten ins Gesicht oder mit Knüppeln auf den Kopf geschlagen.

"Ihr müßt mal versuchen, drauf einzuwirken, daß die sich nen bißchen einkriegen irgendwie, daß die hier nen Konzept reinbringen, die schlagen alles zusammen", empörten sich gar Kollegen im PDS-Mitschnitt des Polizeifunks über die Schlagstock-Attacken: "Also, die Teilnehmer haben nicht die Möglichkeit, aus der Sanderstraße rauszukommen, die sind wohl eingekesselt, und die Bullen drehen völlig durch."

Geht es nach Innensenator Eckart Werthebach (CDU), kann gegen solche Orgien aber bei den Maifestspielen im nächsten Jahr präventiv - und damit deeskalierend - vorgegangen werden: "Potentielle Gewalttäter", so die Idee des Politikers, sollten künftig bis zu zwei Wochen in Vorbeugehaft genommen werden können.

Gegen 21 Beamte gingen bisher Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt ein - neun davon erstatteten Journalisten. Die Polizei jedoch hat sich dazu bislang nicht geäußert. Wozu auch: Polizeipräsident Hagen Saberschinsky ist zufrieden mit der Arbeit seiner Jungs. Lediglich die mutwillige Beschädigung von Polizeieigentum durch einen seiner Untergebenen dürfte auch ihn nicht erfreuen.