Macht und Öl in Nigeria

Der große Verteiler

Der Mann ist ein Träumer. Zwar ist sein Traum, die Mitgliedschaft Nigerias in einer künftigen G 10 noch vor dem Ende des Jahrtausends, schon einige Jahre alt. Doch hat Olusegun Obasanjo bis heute nicht davon abgelassen. Auch nicht, als er am vergangenen Wochenende offiziell zum Präsidenten des bevölkerungsreichsten Staates in Afrika ernannt wurde.

Mit dem Träumer Obasanjo, der sich selbst als Visionär bezeichnet, sollen aber auch die Träume und Visionen seiner Vorgänger aus dem Generalstab in Erfüllung gehen. Die sind ganz banal: Nach der politischen Macht, der leider der ökonomische Abstieg Nigerias folgte, soll nun die ökonomische Macht folgen, allerdings ohne den entsprechenden politischen Niedergang.

Zu diesem Zweck hat man mit Obasanjo einen Präsidenten nach Wunsch installiert. Er war schon einmal Präsident des Landes und kennt noch die Verteilungsschlüssel zwischen den verschiedenen Regionen; er hat lange Zeit die Armee befehligt und kennt daher die Verteilungsschlüssel zwischen dem Staat einerseits und den verschiedenen Streitkräften andererseits; er wurde im Ausland militärisch und diplomatisch ausgebildet und kennt auch die Quoten für die Verteilung der Erträge aus den Ölquellen. Wieviel bekam noch gleich Shell, wieviel wollte Texaco, muß man BP auch noch was geben, wie wird der Rest in Nigeria selbst aufgeteilt? Ein guter Träumer muß wohl auch ein guter Buchhalter sein.

Solche Kenntnisse verdienen Unterstützung. Die Finanzierung seines Wahlkampfs teilte sich denn auch die nun abgetretene Machtclique mit ihren Vorgängern. Obasanjo bedankte sich brav und präsentierte sich als gesamtnigerianischer Nationalist wider alle Partikularinteressen aus den einzelnen Regionen. Und somit als der ideale Verteiler, den seine Vorgänger und wohl auch einige westliche Energiekonzerne in ihm sehen wollten.

Zum Dank für den Neuen fand Texaco plötzlich zwei neue Ölquellen vor der Westküste - in den vergangenen Jahren hieß es immer, alle Ölquellen im Atlantik seien wahlweise erschlossen oder nicht zugänglich. Auch Shell will da nicht abseits stehen. Dort stand die Firma in Nigeria zwar noch nie, doch soll es nun erst so richtig losgehen. Für die nächsten Jahre wurden umgerechnet 15 Milliarden Mark an Investitionen angekündigt.

Das Geld wird Obasanjo brauchen können: Die Auslandsverschuldung Nigerias ist auf mehr als 50 Milliarden Mark angewachsen. Und bei den Devisenreserven fehlen nach dem Abgang der Riege um den ehemaligen Staatschef Abdusalam Abubakar umgerechnet mehr als sieben Milliarden Mark, die im vergangenen Jahr noch stolz verbucht werden konnten. Als Erklärung dafür führt Abubakar Sonderausgaben an: Infrastrukturmaßnahmen, gestiegene Kosten für die Armee, die Austragung der Fußball-Weltmeisterschaft für Junioren und eben die Wahl in diesem Jahr. Die sei richtig teuer gewesen. So kann man es auch sehen.

Hinzu kommt, daß die Militärs nicht abgetreten sind, ohne für sich, Freunde, Verwandte, Bekannte und andere Günstlinge mehr als die Hälfte aller Ölkonzessionen in Nigeria zu sichern. Auch Optionen auf Staatsbetriebe, die in den nächsten Jahren privatisiert werden sollen, wurden schon abgemacht. Und wo keine sicheren Vorabsprachen zu erreichen waren, gab's Geschenke für den Neuen. Obasanjo und seine Frau Stella seien in den vergangenen Wochen "mit Präsenten nur so überschüttet worden", klagte jüngst ein Mitarbeiter Obasanjos der nigerianischen Presse sein Leid.

Dem neuen Präsidenten müssen die Geschenke ebenfalls zu viel gewesen sein: In einer seiner Antrittsreden kündigte Obasanjo an, gegen die "eklatanten Unterschlagungen von Nigerias Ressourcen durch unserer Führer" vorgehen zu wollen. Aber alles habe seine Grenzen und man könne nicht "gutes Geld verwenden, um hinter schlechtem Geld herzujagen", soll heißen: Weg ist weg und hin ist hin, und jetzt wird ohnehin alles anders.

Wie gesagt, der Mann ist ein Träumer. Wohl deswegen hat er auch Transparency International, eine internationale Vereinigung gegen Korruption mit Sitz in Berlin, mitbegründet.