Ende der deutschen EU-Präsidentschaft

Sieger sehen anders aus

Den großen Triumphator stellt man sich anders vor. Jedenfalls nicht wie einen gestreßten Bundeskanzler Gerhard Schröder, wie er diese Woche seine europäischen Amtskollegen trifft. Der Kölner Gipfel sollte zum Höhepunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft geraten. Am Ende fällt die Bilanz sehr bescheiden aus. Anstatt sich stolz als Erster unter Gleichen auf dem Gipfel zu präsentieren, ist Schröder dort vor allem damit beschäftigt, die Schäden der vergangenen Monate zu beheben.

Das betrifft in erster Linie das Verhältnis zu Frankreich. Den wichtigsten deutschen Verbündeten in Europa hatte Schröder im März vergrätzt, als er in Berlin eine deutliche Senkung der deutschen Zahlungen an die EU durchsetzen wollte - u.a. auf Kosten Frankreichs. Paris zeigte sich brüskiert, Schröder drohte kurzfristig gar mit dem Abbruch der Verhandlungen. Es nutzte alles nichts. Am Ende konnte Schröder nur minimale Einsparungen erzielen. Seitdem gilt der Bundeskanzler an der Seine als dumpfer Populist.

Daß Deutschland in der Union zwar gerne dirigiert, es ohne Frankreich aber gar kein europäisches Orchester gibt, zeigt sich nun beim derzeit ehrgeizigsten Vorhaben der EU: die Etablierung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik. In diesem Fall decken sich die nationalen Ambitionen auf beiden Seiten des Rheins; die lästige Dominanz der USA geht den Regierungen gleichermaßen auf die Nerven. Doch ähnlich wie bei der Währungsunion ist eine europäische Armee nur mit dem Einverständnis des Elysée-Palastes zu haben.

Und schon allein deswegen muß Schröder auf alle Alleingänge verzichten - und eilig Harmonie simulieren. Selbst der Trostpreis für Profilierungssüchtige ist schon vergeben. Den erhält vermutlich Nato-Fürst Javier Solana oder vielleicht ein Franzose - jedenfalls wird Mister Gasp, der EU-Koordinator der "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik", nicht Schröders Lieblingskandidat Günter Verheugen sein.

Die elegante Taktik der Berliner Regierung - erst mächtig poltern, dann leise den Rückzug antreten - gilt auch für ein anderes zentrales Thema der deutschen Präsidentschaft: die Erweiterung der EU in Richtung Osten. Ob der vorgesehene Beitrittstermin eingehalten werden könne, sei doch sehr fraglich, grübelte die Bundesregierung in aller Öffentlichkeit noch zu Beginn des Jahres - entgegen der ursprünglich an den Tag gelegten Eile. Die Aufnahme der östlichen Kandidaten sei derzeit kaum bezahlbar.

Kurz darauf begann der Krieg in Jugoslawien. Seitdem sieht die Welt jenseits von Oder und Neisse für das Kanzleramt ganz anders aus. Ungarn stieg nicht nur in Rekordzeit zum umworbenen Partner in der südost-europäischen Kriegsregion auf. Anschließend breitete Außenminister Joseph Fischer seine Arme aus und will nun auch noch den gesamten Balkan in die EU integrieren. Wie dies funktionieren soll, wird sein Geheimnis bleiben. Im Vergleich zu den Habenichtsen vom Balkan sind selbst Polen oder Ungarn ökonomische Wunderkinder.

Zumindest ein kleines Wirtschaftswunder wird aber nötig sein, um die ökonomische Lage in der EU zu verbessern. Denn die Ratspräsidentschaft von Schröder stand auch wirtschaftlich unter schlechten Zeichen: Die Konjunktur in der EU dümpelt vor sich hin, der Euro wankt von einem Tief zum nächsten. Nur die Arbeitslosenzahlen blieben verläßlich und stabil. Von der angekündigten europäischen Beschäftigungsinitiative ist nicht viel zu sehen.

Das liegt auch an der zielstrebigen Orientierungslosigkeit der deutschen Wirtschaftspolitik. Zuerst sollte die europäische Konjunktur mit Lafontaine und französischen Keynesianern an der Spitze volle Fahrt gewinnen. Dann setzten sich die sozialdemokratischen Neoliberalen um Bodo Hombach durch und erhoben den ultimativen Reformator Tony Blair zum europäischen Idol. Wohin jedoch der dritte Weg führen soll, weiß niemand so genau zu sagen.

Der große deutsche Durchmarsch ist das alles nicht. Eher ein mühseliges Streben nach der Führung in Europa. Den furor teutonicus stellt man sich doch irgendwie anders vor. Aber mit dem Ende der deutschen Ratspräsidentschaft hat die Zukunft der Union erst begonnen. Und Deutsche sind schlechte Verlierer.