Darth Vader löst den Teufel ab

Der eine Krieg ist noch nicht zu Ende, da fängt auch schon der nächste an. Im Kosovo dürfte es die Nato künftig vor allem mit der UCK zu tun kriegen.

In England nennen sie ihn nur Darth Vader. Der britische Generalleutnant Michael Jackson wird von den Soldaten des Königreichs für seine militärischen Tugenden bewundert - unberechenbare Wutausbrüche und Arbeitswahn haben ihm den Spitznamen des Krieg-der-Sterne-Kommandanten eingebracht. Seit Herbst letzten Jahres ist Jackson selbst Oberkommandierender und führt die in Mazedonien stationierte Schnelle Nato-Eingreiftruppe an: 16 000 Mann unterstehen bislang seinem Kommando. Nun soll er - im Namen der Nato - Slobodan Milosevic persönlich die Stirn bieten.

Denn während die Nato-Schutztruppe im Kosovo einrückt, steht Jackson an vorderster Front, um dem jugoslawischen Präsidenten die Militärhoheit über die südserbische Provinz abzunehmen. Darth Vader löst den "serbischen Teufel" ab: Zumindest im Süden Jugoslawiens könnte der britische Generalleutnant bald das Erbe Slobodan Milosevics antreten.

Jackson kann auf waffenkräftige Unterstützung des nordatlantischen Militärpakts setzen. 58 000 Soldaten sind es, die nach dem G 8-Plan die "wirksame internationale Sicherheitspräsenz" im Kosovo garantieren sollen, für die die Nato über zwei Monate lang Jugoslawien bombardierte. 58 000 Mann, die Jackson möglicherweise bald befehligen wird - und von denen mindestens 47 000 die Uniformen von Nato-Staaten tragen werden: als "robuster Kern" der Kosovo-Schutztruppe (Kfor) - die von Bundesaußenminister Joseph Fischer und Bundeskanzler Gerhard Schröder seit ihrem Amtsantritt im Oktober immer wieder geforderten "Friedenstruppe".

Mindestens 6 000 Bundeswehrsoldaten dürfen nun auf dem Amselfeld mit dabei sein, um sich zügig dem obersten Ziel des Friedensplans zu widmen. Sie sollen also helfen, die Rückkehr der Flüchtlinge militärisch abzusichern. Doch so schnell, wie die Nato-Friedenskämpfer in die südserbische Provinz eingerückt sind, so schnell könnte sich die Truppe auch schon einer ganz anderen Aufgabe als der Flüchtlingsbegleitung gegenübersehen. Denn selbst wenn die jugoslawische Führung an dem von der Nato diktierten Zeitplan zum Abzug ihrer Truppen festhält, kommt das Bündnis nicht darum herum, den Job zu übernehmen, den schon die Einheiten Milosevics nicht erledigen konnten: die Kämpfer der Kosovo-Befreiungsarmee UCK in Schach zu halten.

Jackson wäre für den Chefposten einer solchen Einheit geradezu prädestiniert. Schließlich bringt er die entsprechenden Bürgerkriegserfahrungen mit. Er hat sich zwischen 1984 und 1986 als Kommandant des 1. Britischen Battaillons in Nordirland ebenso einen Namen gemacht wie als effektiver Bekämpfer bewaffneter Separatisten. Er spricht zudem auch Russisch. In der zwischen Moskau und Washington bis zuletzt umstrittenen Frage, wer denn nun den Oberbefehl über die Kfor-Einheiten bekommt, könnten seine Sprachkenntnisse den Ausschlag für Jackson geben.

Premierminister Tony Blair wüßte die Ernennung Jacksons zum Kfor-Oberkommandieren sicherlich zu schätzen: als Dank dafür, "der kriegsfreudigste Nato-Führer während des 72tägigen Konflikts" gewesen zu sein, wie es ihm der Londoner Guardian patriotisch bescheinigte. Der Krieg geht weiter: Mit knapp 20 000 Soldaten wird Großbritannien das Gros der Kfor-Einheiten stellen. Selbst die von den USA veranschlagten 7 000 GIs nehmen sich dagegen bescheiden aus.

So war es mit Jackson auch ein Brite, der sich am Wochenende als erster westlicher Militär seit Beginn der Nato-Angriffe mit jugoslawischen Generälen an einen Tisch setzte. Im mazedonischen Kumanovo, einen halben Kilometer von der Grenze zum Kosovo entfernt, traf er auf die Stellvertreter der Männer, die das Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag eine Woche zuvor angeklagt hatte: Blagoje Kovacevi, Vize des zur Fahndung ausgeschriebenen Generalstabschefs der jugoslawischen Armee und der stellvertretende serbische Polizeichef Obrad Stefanovic, der seinen ebenfalls von Den Haag gesuchten Chef vertrat. Die beiden saßen Jackson als Leiter der jugoslawische Verhandlungsdelegation gegenüber.

Wer nicht mit am Verhandlungstisch saß, waren die Rebellen der UCK. Ein nicht verhandelbares, "militärisch-technisches Abkommen" kann die Nato eben nur Milosevics Befehlsempfängern zumuten. Die Führung der Kosovo-Befreiungsarmee hingegen, das haben schon die Verhandlungen in Rambouillet gezeigt, läßt sich von der Nato nichts befehlen - lieber fällt sie auseinander. Ebenso hilflos wie besorgt über die führungsschwachen Separatisten, forderte sie Nato-Sprecher Jamie Shea am Wochenende dennoch auf, "von Gewalt Abstand nehmen" und sich - im Einklang mit dem Friedensplan - entwaffnen zu lassen. Sie dürften keinen Vorteil aus dem anstehenden serbischen Rückzug ziehen, lautete die Warnung aus dem Hauptquartier in Brüssel.

Daß die Kosovo-Albaner so ziemlich das genaue Gegenteil von dem wollen, was die Nato will, verschweigen auch ihre führenden Repräsentanten nicht. Hashim Thaci, der Chef der UCK, spricht von einem "Transformationsprozeß", der so schnell wie möglich in die Sezession münden soll - ob bewaffnet oder nicht, läßt er weiterhin offen. Und Bujar Bukoshi, Kosovo-Ministerpräsident im Bonner Exil, prophezeit erheblichen Widerstand gegen die von Brüssel verordnete Entwaffnung. Im Spiegel bezweifelte er, daß die UCK-Spitze überhaupt bereit sein könnte, der Nato-Forderung nach Niederlegung der Waffen zuzustimmen. Klare Befehls- und Kommandostrukturen gebe es in der Armee ohnehin nicht, abgesehen davon sei sie "sehr heterogen und darüber hinaus auch noch in sich zerstritten". Thaci selbst habe dem in Rambouillet vorgelegten Plan auch nur zugestimmt, weil ihm klar war, daß Milosevic den Vertrag nie akzeptieren würde.

Die Nato und die UCK als siegreiches Bündnis - sozusagen als Partner des Friedens? Mitnichten. Auf wen sie da bei ihrem Einzug in das zerstörte Kosovo stoßen werden, ist den Nato-Strategen wahrscheinlich klarer, als sie öffentlich zugeben. Solange es serbische Einheiten gab, die zerschlagen werden sollten, waren die Guerilleros dem Bündnis ja auch ganz dienlich: Nicht umsonst hat die Nato dieUCK in den letzten beiden Kriegswochen durch direktes Eingreifen in Gefechte mit serbischen Einheiten militärisch unterstützt. Daß dabei auch Raketen in Albanien einschlugen, dürfte weniger Versehen als Kalkül gewesen sein. Solange es darum ging, die serbischen Truppen zu schwächen, waren die UCK-Kämpfer der Nato willkommene Bündnispartner. Nach der Einigung mit der jugoslawischen Militärführung brauchen sie die Separatisten nicht mehr.

Doch so einfach wird Brüssel die UCK auch nicht wieder los. Zumindest territorial hat sie in den letzten Kriegstagen an Boden gewonnen. Die Hauptverbindungsstraße von der albanischen Grenze nach Pec - das inzwischen wieder von der UCK kontrolliert wird - wurde freigekämpft, die Einnahme einer zweiten, in den Süden des Kosovo führenden Straße, steht kurz bevor. Wenn die Nato ihren Einmarsch aus Albanien beginnt, werden auch die Kfor-Soldaten diese Straßen benutzen müssen.

Mit weiteren UCK-Kämpfern im Rücken: Unter Mitarbeitern humanitärer Hilfsorganisationen gilt es längst als offenes Geheimnis, daß sich die bewaffneten Unabhängigkeitskämpfer in Camps bis weit ins albanische Landesinnere hinein breit gemacht haben. Auch wenn Vertreter des Uno-Flüchtlingshilfwerks UNHCR behaupten, nichts von einer Präsenz der Skipetaren-Guerilla in ihren Lagern zu wissen, laufen im südlich von Tirana gelegenen Mullet Dutzende von uniformierten UCK-Kämpfern herum - die zwar nicht sichtbar bewaffnet sind, "aber darauf brennen, endlich an die Front zu kommen", wie der Reporter des Londoner Economist berichtet.

Beste Chancen für den Frieden also. Nicht nur, daß die Nato in das Kosovo nachrückt - auch die UCK verstärkt wieder ihre Truppen. Und in Kumanovo schließlich konnten Milosevics Generäle ohnehin nur dem Abzug der regulären jugoslawischen Einheiten zustimmen. Die autonom agierenden serbischen Paramilitärs aber unterstehen weiterhin nicht ihrer Kontrolle. Und da der seit über einem Jahr andauernde Krieg zwischen UCK und Jugoslawien nicht zuletzt ein Kampf zwischen Paramilitärs ohne feste Befehls- und Kommandostrukturen war, könnte sich die Nato bald ganz neuen Fronten gegenübersehen: Ölraffinerien schießen nicht - Milizen schon.