Il Cavaliere ist wieder da

Silvio Berlusconi werden bei der EU-Wahl in Italien gute Chancen eingeräumt

Scharfe Töne von Rechts begleiten in Italien den Beginn des Wahlkampfes zu den EU-Parlamentswahlen am 13. Juni. Silvio Berlusconi, korruptionsgeschüttelter Führer der rechten Opposition, verlangt eine Auflösung der Regierungskoalition und Neuwahlen im Land, sollte bei den EU-Wahlen sein Bündnis aus Forza Italia (FI) und Alleanza Nazionale (AN) gewinnen. Der erfolgreiche Medienunternehmer will zurück an die Macht in Italien. Erst vor vier Jahren sah es so aus, als sei er politisch erledigt. Nach der Wahlniederlage 1995 schien ein Korruptionsskandal seine kurze, überraschende Karriere endgültig zu beenden.

Doch Italien erweist sich in solchen Korruptionsfällen als recht großzügig - das Beispiel Giulio Andreotti steht dafür. Nun mischt Berlusconi wieder mit in der italienischen Politik, und zwar mit Erfolg: Umfragen versprachen ihm vor zwei Wochen durchaus Chancen, am 13. Juni als Sieger aus den Wahlen hervorzugehen. In altbekannter Manier bedient sich der Cavaliere - wie ihn die italienischen Medien mit sympathisierender Ironie nennen - seiner drei Fernsehprogramme, um kostengünstig intensiven Wahlkampf zu führen.

Ein Schlagwort dabei sind unter anderem Steuersenkungen. Das scheint gut anzukommen bei den Italienern, die für den Eintritt in die Währungsunion einige Entbehrungen hinnehmen mußten: Um die Staatseinnahmen zu erhöhen und so die Konvergenzkriterien zu erfüllen, hatte der damalige Finanzminister Carlo Azeglio Ciampi 1997 eine sogenannte Europa-Steuer eingeführt, die sowohl Unternehmen als auch Privatleuten aufgebrummt wurde.

Mit Europa haben diese Wahlversprechen wenig zu tun. Auch Berlusconis Forderung, daß die Regierung Konsequenzen aus einer Wahlniederlage am 13. Juni ziehen muß, kritisiert Ministerpräsident Massimo D'Alema als eine "Instrumentalisierung der Europawahlen" zu innenpolitischen Zwecken. Doch natürlich würde ein Wahlsieg auch für den Regierungschef eine Bestätigung seiner bisherigen Politik bedeuten. Kein Wunder, daß zum Beispiel Umberto Eco die kommenden Wahlen als "reine Testwahlen" bezeichnet.

Dennoch hält sich das Interesse der Italiener an den Wahlen in Grenzen; das EU-Parlament ist eine abstrakte, weit entfernte Institution. Die Zentralregierung in Rom liegt für viele schon in weiter Ferne - wie weit ist da Straßburg und Brüssel weg! Was die Köpfe wirklich beschäftigt: das Attentat auf Massimo D'Antona, das den Roten Brigaden zugeschrieben wird - und vor allem der Krieg gegen Jugoslawien.

Durch die Nähe zu Jugoslawien wird Italien wie kein anderes kriegführendes Land in Mitleidenschaft gezogen. Immerhin haben die auf die italienischen Nato-Stützpunkte zurückfliegenden Jets einige Bomben in die Adria abgeworfen - die Fischer fürchten seitdem nicht nur um ihre Fanggründe, sondern auch um ihr Leben.

Die Proteste gegen den Krieg sind, von Griechenland einmal abgesehen, so stark wie in keinem anderen Nato-Land. Das blieb nicht ohne Folgen für die Regierungskoalition. In der regierenden Mitte-Links Koalition sind es vor allem die italienischen Grünen und die kommunistische PcdI unter Armando Cossutta, die D'Alema zu einer einseitigen Waffenruhe der Nato drängen. Aber die Kriegsgegner, die sogenannten Tauben, sind in allen Koalitionsparteien zu finden. D'Alema hat es nicht leicht: Einerseits muß er als treuer Nato-Partner Krieg führen, andererseits die Kriegsgegner in seiner Koalition beruhigen.

Sein Friedensplan war denn auch in erster Linie ein innenpolitisches Signal. Der Plan hatte vor mehreren Wochen eine Unterbrechung der Bombenangriffe in Aussicht gestellt, war aber von vornherein als im Bündnis nicht durchsetzbar eingeschätzt worden - wegen der Drohung des Einsatzes von Bodentruppen.

Die Zerstrittenheit in der Regierung hoffte die rechte Opposition für sich nutzen und Stimmen gewinnen zu können. Doch mit den sich in der letzten Woche abzeichnenden Erfolgen bei den Friedensverhandlungen mit Belgrad steigen nun auch wieder D'Alemas Chancen. Die diplomatischen Fortschritte werden in Italien zu einem großen Teil auch auf D'Alemas Bemühungen zurückgeführt. Entsprechend erhöhen sich die Chancen der großen Regierungsparteien - der Linksdemokraten und der Volkspartei - bei den EU-Wahlen.

Außerdem dürfte am 13. Juni die neugegründete Demokraten-Partei gute Chancen haben. In dem Sammelsurium mit dem Esels-Symbol haben sich Politiker verschiedener Mitte-Links-Parteien eigens für die EU-Wahlen verbündet. Sie können dabei auf den Promi-Bonus sowohl des EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi als auch des Tangentopoli-Anwalts Antonio Di Pietro setzen. Umfragen zufolge hat das Eselchen keine schlechten Aussichten in dem Rennen am 13. Juni. Schließlich hat die Allianz auch eine der schönsten Wahlkämpferinnen auf ihrer Seite: Gina Lollobrigida.