Verhaftung in Sachen RZ

Sprengstoff im Keller

Haben Ermittler des Bundeskriminalamtes vier Jahre lang einen Keller im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg beobachtet? Diese Vermutung liegt nahe, denn bereits im Frühjahr 1995 waren "staatliche Organe" auf einen Keller aufmerksam geworden, in dem nach Angaben der Bundesanwaltschaft (BAW) 24 Stangen mit insgesamt 4,8 kg des gewerblichen Sprengstoffes Gelamon 40 sowie 4,15 m Sprengschnur lagerten. Das Material sei im Juni 1987 aus einem Bergwerk in Salzhemmendorf von "unbekannten Mitgliedern" der Revolutionären Zellen/Rote Zora (RZ) entwendet worden. Mitte Mai 1999 wurde deshalb der Mieter des Kellers, Tarek M., wegen des Vorwurfs der Unterstützung der RZ verhaftet. Zur Zeit sitzt der 40jährige in Untersuchungshaft in Berlin-Moabit.

Sehr kryptisch liest sich eine Passage in der BAW-Pressemitteilung, in der es um die Entdeckung selbst geht: "Der Beschuldigte wollte den Sprengstoff in dem Versteck solange aufbewahren, bis er von Mitgliedern der terroristischen Vereinigung die Anweisung erhielt, diesen herauszugeben. In der Nacht zum 28. März 1995 wurden Sprengstoff und Sprengschnur aus dem Keller entwendet; Sicherstellung durch die Polizei er-folgte am 6. April 1995." Fragen drängen sich auf: Wer hat eigentlich den Sprengstoff aus dem Keller gestohlen? Wieso konnte die Polizei den Stoff knapp zehn Tage später dennoch beschlagnahmen? Horst-Rüdiger Salzmann, Pressesprecher der BAW, gibt sich auf Jungle World-Anfrage zurückhaltend. Zu "Details eines laufenden Ermittlungsverfahrens" werde er keine Stellung nehmen. Ebenso konnte Salzmann nicht erklären, warum erst vier Jahre nach der Entdeckung Haftbefehl gegen den Mieter des Kellers erlassen wurde und was denn in der Zwischenzeit passiert ist. Auch Frank Assner, der Rechtsanwalt des Verhafteten, wollte die Vorwürfe nicht kommentieren.

Die Verhaftung eines vermeintlichen RZ-Unterstützers kommt zu einem überraschenden Zeitpunkt. Seit Jahren hat sich keine Gruppe aus dem RZ-Zusammenhang mehr zu militanten Aktionen bekannt. Zuletzt verübten Mitglieder der Roten Zora im Sommer 1995 einen Anschlag auf eine Werft in Bremen, in der Fregatten für die türkische Armee hergestellt wurden. Überrollt von den weltpolitischen Verschiebungen, stellten schon Anfang der neunziger Jahre die meisten Aktivisten der RZ ihre und bewaffneten Aktionen ein, ohne jedoch, so eine der "Zellen", der "Selbstaufgabe revolutionärer Politik das Wort zu reden". Sollte die jetzige BAW-Aktion also als indirekte Warnung verstanden werden? Schließlich ist bei aller Karlsruher Zurückhaltung eines eindeutig: Staatliche Behörden - welche auch immer - waren genau über ein strukturelles Element der Gruppe informiert.