Hickhack um die rot-grüne Gesundheitsreform

Verärgerte Ärzte

"Dann strich er sanft durch ihr duftendes blondes Haar. Der goldene Ring an seiner linken Hand leuchtete in der Abendsonne, die durch die blitzblanke Fensterscheibe fiel. Kaum merklich neigte sie ihren Kopf nach rechts, wie um sein Streicheln ganz tief in sich aufzunehmen. 'Ich liebe dich', sagte er voller Zärtlichkeit, während er sie fest mit seinen strahlend blauen Augen anschaute. Ihr Herz pochte schneller, und die Knie unter ihrem rosa Kittel begannen leicht zu zittern."

So oder so ähnlich steht es an irgend einer Stelle in jedem dritten Arztroman - auch wie die Handlung weitergeht, unterscheidet sich nur in Nuancen. Bestimmt aber nicht realistisch, denn nach der Gesundheitsreform müßte es heißen: "'Ich muß dir etwas Furchtbares gestehen, Liebling', sagte er leise, aber deutlich. 'Wir werden uns nicht mehr sehen können. Ich muß dich entlassen, weil das Budget für dieses Jahr aufgebraucht ist.'"

Damit die lieben Patienten und Patientinnen solche schlimmen Dinge nicht lesen müssen, während sie Stunde um Stunde auf eine überflüssige Untersuchung warten, machen die Ärzte seit geraumer Zeit mobil. Da bekommt die Kundschaft bei jeder Anmeldung das Formular einer Unterschriftenliste gegen Gesundheitsministerin Andrea Fischer über den Counter geschoben, da faselt der ehemalige Oberarzt der Republik etwas von "Lebenszeitbudgetierung" und "Sozialdarwinismus", da drohen Ärzte, Behandlungen oder Verschreibungen von Medikamenten zu verweigern - wenn es ans Eingemachte geht, machen sogar die Ärzte, denen man sonst jedes diagnostische Wort aus der Nase ziehen muß, das Maul auf.

Das ist verständlich; schließlich möchte einer der bestverdienenden Berufsstände nicht am Tropf der Gesundheitsministerin, genannt Globalbudget, hängen, sondern erwartet auch in Zukunft steigende Einnahmen. Das Budget der grünen Ministerin ist dabei so etwas wie die Einführung der Planwirtschaft im Gesundheitswesen: Soundsoviele Milliarden stehen jährlich dafür zur Verfügung, die Leute wieder fit for job zu kriegen - umfassende Kontrolle inklusive.

Mit dieser an die Einnahmen der Krankenkassen gekoppelten Summe müssen die Ärzte auskommen, damit die Beitragssätze zur Krankenversicherung stabil bleiben können und die Lohnnebenkosten nicht weiter steigen. Das wollen zwar auch die Unternehmer, sie sind aber aus ordnungspolitischen Gründen auf seiten der Ärzte und fordern mehr Markt im Gesundheitswesen. Nur wer Geld hat, darf dahin, wo es am langweiligsten ist: ins Einzelzimmer.

Daß die Ärzte im gesellschaftlichen Verteilungskampf allerlei seltsames Zeug erzählen, verwundert kaum, daß sie aber ihre Vorstellungen einer Gesundheitsreform präsentieren, nachdem sie sich gerade noch als Anwalt der Schwachen dargestellt haben, ist entweder blöd oder dreist. Der Plan der Ärzte: die Kassenleistungen auf das Nötigste reduzieren und sogenannte Lifestyle-Angebote - zum Beispiel Aerobic auf Kassenkosten - streichen. Wer mehr als nur die medizinische Grundversorgung möchte, müßte dies durch private Zuzahlungen finanzieren - sofern er oder sie kann.

Da das ungefähr so sozial ist wie ein Arztroman ein Roman, bleibt alles beim alten: Sollten der Held und die Heldin unseres Romans bei ihrer letzten Spritztour einen Unfall bauen und sich dabei schwer verletzen, kämen sie getrennt ins Krankenhaus - und zwar nicht nur nach Mann und Frau getrennt.