Weizsäcker in Schwarz

Südafrika hat gewählt: Thabo Mbeki ist der Nachfolger Nelson Mandelas, und alle mögen ihn

Alle lieben Thabo Mbeki: Selbst seine Kritiker schätzen sein "Engagement für ökonomische Reformen und Sparprogramme im Etat", schreibt der Johannesburger Mail & Guardian. Alle anderen großen südafrikanischen Zeitungen schwanken zwischen Bezeichnungen wie "der große Demokrat" (Sunday Times), "der große Lenker" (The Star) oder einfach "der große Afrikaner" (Sunday Independent).

Im Ausland stehen andere Qualitäten im Vordergrund: Wo die New York Times "einen intellektuellen Guerillero" feiert, bleibt die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) ganz cool und entdeckt den "Manager" Mbeki. Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) mag den künftigen Präsidenten Südafrikas, weil "er manches gemein mit dem früheren Bundespräsidenten von Weizsäcker" habe. Was? "Er liebt Dichtung", biedert sich "Journalisten nicht an" und hält "mit seiner Zeit" haus. So bastelt sich eben jeder seinen eigenen Mbeki.

Doch wer ist dieser Thabo Mbeki nun wirklich? Der kommunistische Parteisoldat mit der kurzen militärischen Ausbildung in der Sowjetunion, der später sogar Mitglied im Politbüro der südafrikanischen KP wurde (Washington Post)? Der ex-kommunistische ANC-Botschafter in Nigeria, Botswana und Swasiland, der auch noch als Chef der Abteilungen Information und internationale Angelegenheiten fungierte (NZZ)? Oder doch nur der bärtige Pfeifenraucher und im britischen Sussex ausgebildete Volkswirt, der das offene Wort nicht scheut (FAZ)?

Klar ist, daß er Vorsitzender des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) ist und bleiben wird, die Parlamentswahlen in Südafrika deutlich gewonnen hat und künftig die Nachfolge Nelson Mandelas antritt. Zwar wurde die angestrebte Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament, die nötig wäre, um auch noch die Verfassung des Landes nach Belieben ändern zu können, wohl knapp verfehlt. Doch geht de facto ohne den ANC in Südafrika politisch so gut wie nichts. In acht von neun Provinzen erhielt die Partei die Mehrheit der Stimmen.

Selbst die weiße Massenbasis des früheren Apartheidsregimes hat dies mittlerweile begriffen und kooperiert weitgehend mit den neuen Mächtigen: Die Vereinigung der Farmer, traditionell ideologischer Hort der "weißen Suprematie" in den westlichen und nordwestlichen Provinzen des Landes, arbeitet zum Teil schon länger eng mit den ANC-Provinzregierungen zusammen. Die starken Verluste der einzigen größeren Partei der Weißen wird diese Entwicklung wohl noch beschleunigen: Die Neue Nationale Partei verlor im Landesparlament mehr als die Hälfte der Sitze und fiel selbst in ihrer Hochburg am Westkap hinter den ANC zurück.

Auch ehemalige weiße politische Funktionäre geben mittlerweile nach: Zuletzt war es Eugene Terre'Blanche, Führer der faschistischen Afrikaaner Weerstandsbeweging. Der bis zum Anfang dieses Jahres unversöhnliche Gegner des "Kaffern-Regimes" (Terre'Blanche über die ANC-Regierung) bat plötzlich ganz brav bei der Wahrheitskommission um Strafverfolgungsfreiheit.

Andere frühere ANC-Gegner haben schon vor längerem nachgegeben - und sollen nun dafür weiter belohnt werden. Mangosuthu Buthelezi, Chef der mit dem ANC koalierenden Inkatha Freiheitspartei (IFP) und bislang Innenminister, wird als künftiger Vizepräsident gehandelt. Auch ein Wechsel Buthelezis ins Außenministerium wird zur Zeit in südafrikanischen Medien diskutiert.

Einerseits hofft der ANC durch die Beförderung Buthelezis, die IFP wahlweise in die eigene Machtbasis zu integrieren oder sie zumindest ruhigzustellen: Erst Ende Mai präsentierte die Johannesburger Zeitung Sunday Times ein geheimes Memorandum, das die Beteiligung Buthelezis an der Vorbereitung des Versuchs andeutete, die Parlamentswahlen von 1994 in der eigenen Hochburg KwaZulu Natal notfalls mit Waffengewalt zu gewinnen. Darin heißt es, der Parteichef wisse, daß sein Provinzadjutant Philip Powell eine "Privatarmee" aus IFP-Mitgliedern mit Bomben, Raketen, Gewehren, Handfeuerwaffen und Granaten ausrüste. Bislang hatte Buthelezi immer behauptet, Powell sei ein Einzeltäter, der ohne Wissen der Partei vorgegangen sei.

Auf die Wahlergebnisse in KwaZulu Natal hat dies sich freilich nicht ausgewirkt, die IFP konnte sich dort knapp vor dem ANC behaupten. Insgesamt fast 45 000 Sicherheitskräfte waren in der Provinz zusammengezogen worden, um die Durchführung der Wahl zu gewährleisten.

Zum anderen wird die Kritik an Buthelezis Innenpolitik immer größer: Selbst die von der Regierung eingerichtete Menschenrechtskommission kam im März zu dem Schluß, daß in Südafrika regelmäßig Menschen von der Ausländerpolizei verhaftet und mißhandelt würden - einige würden sogar abgeschoben. Besonders tragisch für die staatliche Kommission: Es handelt sich um Südafrikaner. Der vorgelegte Bericht nennt auch Zahlen: 15 Prozent der Verhafteten, die seit Anfang dieses Jahres in einem Sammellager außerhalb von Johannesburg auf ihre Abschiebung warteten, seien Südafrikaner.

Weiteren 30 Prozent der Eingesperrten werde keine Möglichkeit gegeben, Unterlagen zu beschaffen, um ihren "legalen Status nachzuweisen". Die Kommission kommt zu dem Fazit: "Je dunkler die Haut eines Menschen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, daß er als Illegaler verhaftet wird." Unter den mehr als 140 000 Menschen, die seit August 1996 in dem Sammellager festgehalten wurden, sei kein einziger Weißer gewesen. Über die restlichen 55 Prozent der Internierten schweigt sich der Kommissionsbericht allerdings aus.

Zwischen zwei und vier Millionen Menschen (fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung) haben nach Angaben des südafrikanischen Innenministeriums in in den vergangenen Jahren die Grenze nach Südafrika "illegal überquert". Zwar werde schon seit längerem hart durchgegriffen, erklärte Buthelezi in seiner Funktion als Innenminister zuletzt im März, doch kämen immer noch zu viele Menschen aus den Nachbarstaaten Mosambik, Zimbabwe und Botswana.

Noch mehr aber seien schon da und würden nicht wieder gehen, dies müsse sich nun ändern. Vor dem Parlament und unterstützt von der Mehrheit der ANC-Abgeordneten kündigte er an, künftig die "ausländischen Sportler in Südafrika auf ihre Legalität" zu untersuchen.

Über die Folgen dieser Politik berichtete Ende Mai die Tageszeitung The Sowetan: So würden zum Beispiel in Zimbabwe gezielt Arbeitskräfte von weißen Farmern angeworben. Geld und Arbeit würden versprochen, die Leute ins Land geschleust, ein Arbeitsvertrag von mindestens einem Monat zugesagt. Nach diesem Monat aber werde nicht bezahlt.

Shirami Shirinda, Mitglied der Assoziation für die Entwicklung von Nkunzi (NGO) im Norden Südafrikas wird deutlicher. Geld bekämen die Zimbabwer tatsächlich nur selten, statt dessen würden viele halbtot geschlagen und aus dem Land geworfen. Die Farmer übernähmen den aktiven Part bis zur Grenze, die Polizei den passiven. Sogar der Premierminister der Nordprovinz, Ngoako Ramathodi, spricht angesichts dieser Praktiken mittlerweile von "Sklaverei".

Auch innerhalb des ANC wird Buthelezis Flüchtlingspolitik (vorsichtig) von einzelnen Mitgliedern der KP und des Gewerkschaftsdachverbands Cosatu kritisiert - die eigenständigen Organisationen gehören zum ANC. Kritik an Buthelezi wird jedoch auch aus seiner eigenen Partei laut: Innerhalb der IFP mehren sich sowohl die Rufe nach härteren Maßnahmen gegen Migranten als auch die Forderungen zur Wiedereinführung der Todesstrafe.