Ehrenwerte Gesellschaft

In Hamburg nimmt der rechte Widerstand gegen die Wehrmachtsausstellung zu

Nur nach Vorlage der Einladung konnte man am vergangenen Dienstagabend den Saal 2 des Hamburger Konferenzzentrums Alster City betreten. Die Damen und Herren der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft (SWG) wollten sich nur mit Gleichgesinnten "über den Mißbrauch der Geschichte deutscher Soldaten zu politischen Zwecken" austauschen.

Für diesen Tag hatte Hans B. von Sothen anläßlich der nach Hamburg zurückgekehrten Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" zu der geschlossenen Gesellschaft geladen. "Seit dem 5. Juni 1999 läuft trotz aller Bedenken die umstrittene Ausstellung, die Millionen Wehrmachtssoldaten verhöhnt", erklärte von Sothen und versicherte, die SWG werde dies "als Herausforderung" annehmen.

Bereits seit der Ausstellungseröffnung 1995 in der Hansestadt führt die SWG, die sich der "konservativen Bildungsarbeit im vorparlamentarischen Raum" verschrieben hat, unterschiedliche Veranstaltungen gegen die Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung durch. Dennoch folgten auch in dieser Woche an die 200 Gäste der Einladung des Regionalbeauftragten, um mal wieder den Ausführungen des emeritierten Professors Walter Post sowie dem Generalleutnant a.D. Franz Uhle Wettler und dem Pater Lothar Groppe zu lauschen.

Schon früher hatte Walter Post bei der SWG ausgeführt, daß die "Ausstellung die Wehrmacht verunglimpfe" und die "Macher durch die Geschichtswissenschaft der Sowjetunion beeinflußt" wären. Außerdem waren, wie der ehemalige Lehrbeauftragte der Universität München erläuterte, die "Partisanenbekämpfung nach Kriegsrecht erlaubt" und die "deutschen Kriegsgefangenenlager vorbildlich".

Auch Franz Uhle Wettler referierte schon einmal bei der Gesellschaft, der sein Bruder Reinhard (Brigadegeneral a.D.) vorsitzt: Die Ausstellung diene nur dazu, "Ansehen und Ehre der deutschen Soldaten zu beschmutzen". Dabei würden, nach Ansicht des einstigen Kommandeurs der Nato-Verteidigungsakademie in Rom, in der internationalen Diskussion "die deutschen Truppen als die besten bewertet". Lothar Groppe, langjähriger Militärpfarrer und Dozent an der Führungsakademie der Bundeswehr, mochte da nicht zurückstehen und beklagte, wie verfehlt "Pauschalurteile über die Wehrmacht" seien.

1962 wurde die SWG von Hugo Wellem mit Unterstützung von alten Kameraden aus der NS-Zeit gegründet. Als der einstige Referent im Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda 1995 starb, übernahm Reinhard Uhle Wettler den Vorsitz der bundesweiten Gesellschaft mit Hauptsitz in Hamburg. Personell eng verflochten ist die als Verein anerkannte Gesellschaft mit dem Ostpreußenblatt, das jahrelang von Wellem herausgegeben wurde. So teilen sich SWG und Ostpreußenblatt nicht nur die Räume in der Hamburger Parkallee, sondern sie führen auch zusammen Veranstaltungen im Haus der Provinzial-Loge Niedersachsen oder im Amerikahaus durch.

Im Lauf ihres knapp 40jährigen Wirkens für das rechte Geschichtsbewußtsein und Gegenwartsverständnis wurde die SWG von fast allen unterstützt, die in der Grauzone zwischen Konservatismus und Neofaschismus Rang und Namen haben. Fürst Ferdinand von Bismarck und Ernst Nolte referierten auf SWG-Veranstaltungen, Gerd Schulze-Rhonhof und Alfred Mechtersheimer schrieben in der hauseigenen Zeitschrift Deutschland-Journal, deren Auflage nach Angaben der Herausgeber bei einer halben Million Exemplare liegt. (Selbst wenn man eine Null abzieht, dürfte die Auflage immer noch wesentlich zu hoch angegeben sein).

Getreu des SWG-Grundsatzes, "einen Beitrag zur Festigung eines gesunden Gemeinwesens (zu) leisten, um zu verhindern, daß Deutschland zum Experimentierfeld von Kräften wird, die die Substanz unseres Volkes bedrohen", kämpfen die Vereinsmitglieder nicht nur gegen "Vaterlandsverräter, Verführer und Lügner".

Zur Zeit sammelt die SWG auch Unterschriften, vor allem aber Geld, um eine Anzeige schalten zu können, die Anfang Juli erscheinen soll. Auf die "einseitige Darstellung der Wehrmacht" soll in verschiedenen Zeitungen hingewiesen werden, verbunden mit der Aufforderung an den Hamburger Senat, die finanzielle Unterstützung "dieser Ausstellung mit über 70 000 DM" zurückzuziehen. Denn an dem Begleitprogramm zur Ausstellung würden sich "linksextremistische Organisationen" beteiligen, die "vom Hamburger Verfassungsschutz beobachtet werden".

"Die Ausstellung darf nicht weiter gezeigt werden", meint auch der Initiator der jüngsten SWG-Veranstaltung, Hans B. von Sothen. Früher war er Redakteur der extrem rechten Wochenzeitung Junge Freiheit, bis heute ist er seinem ehemaligen Arbeitgeber als Autor erhalten geblieben. Angelehnt an einen Satz des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt (SPD) zur Ausstellung - "dergleichen linksextremistische Meinungen sind nicht verboten, sie sind gleichwohl gefährlich" -, spricht von Sothen auch lieber von der "Anti-Wehrmachtsausstellung".

Alle, die die "Protestanzeige" unterstützen, erhalten kostenlos die mittlerweile in der vierten überarbeiteten Auflage erschienene SWG-Broschüre "Die Reemtsma-Ausstellung". Nicht kostenlos, aber ebenso bei der Gesellschaft zu erhalten, ist das von ihrem Mitstreiter Joachim F. Weber herausgegebene Buch "Armee im Kreuzfeuer". In dieser Schrift, zu der der frühere Bundesverteidigungsminister und jetzige Ehrenvorsitzende der CDU in Schleswig-Holstein, Gerhard Stoltenberg, das Vorwort geschrieben hat, warnen unter anderen Franz W. Seidler und Alfred Dregger "vor den Folgen der umstrittenen Wehrmachtsausstellung".

Um diese Folgen machen sich aber auch andere Gedanken: Der Hamburger Nationale Hochschulbund (NHB), eine Unterorganisation der NPD, plant zur Zeit erneut einen Aufmarsch unter Motto "Der Soldaten Ehre ist auch unsere Ehre". Nachdem die Nazis von NHB und NPD Anfang Juni in der Hansestadt nicht offen gegen die "Anti-Wehrmachtsausstellung" auftreten konnten, wollen sie es nun am 10. Juli noch einmal versuchen.