Umstrittener Waffendeal mit der Türkei

Füchse für Ecevit

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Deutschland weiß bei den Menschenrechte wohl zu differenzieren. Im Gegensatz zu den Nato-Angriffen auf Serbien und Umgebung wäre ein Waffendeal mit dem Nato-Mitglied Türkei kein Verdienst um die Humanität. Das zumindest vertritt - nach einem Bericht des Spiegel - das Bonner Außenministerium.

Und deswegen will die Behörde von Außenminister Joseph Fischer (Grüne) nicht, daß 120 Fuchs-Panzer in die Türkei verkauft werden. Auch der Bau von 1 800 weiteren Füchsen in der Türkei selbst soll nicht erlaubt werden. In der Türkei, so stellte man im Auswärtigen Amt überraschend fest, könnten die Panzer möglicherweise dazu benutzt werden, Menschenrechte zu verletzen. Bei Angriffen gegen die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) beispielsweise - erst am Wochenende berichtete die Nachrichtenagentur Anatolia von elf getöteten PKK-Kämpfern.

Zwar hat man im deutschen Außenministerium die Kurden noch nicht zur unterstützenswerten Minderheit in der Türkei, die PKK noch nicht zur nationalen Befreiungsarmee, die türkischen Offensiven noch nicht zur ethnischen Säuberung und Ministerpräsident Bülent Ecevit noch nicht zum Bosporus-Hitler erklärt. Aber so ganz einverstanden ist man mit dem, was in der Türkei passiert, in Bonn nicht - und das Argument von der Nichteinhaltung der Menschenrechte läßt sich schließlich gegen jedes Land verwenden.

Ankara gegenüber gibt es in Bonn genug Druckmittel. Die Türkei möchte gerne der Europäischen Union beitreten - bisher haben sich die EU-Staaten jedoch geweigert, die Türkei zum Beitrittskandidaten zu machen. Und sollte das für den gestrigen Dienstag erwartete Urteil gegen den PKK-Chef Abdullah Öcalan ein Todesurteil sein, würde dies die Verhandlungen weiter erschweren. Damit hat Innenminister Otto Schily (SPD) in der Berliner Morgenpost dem Nato-Partner bereits gedroht. Die PKK will bei einem Todesurteil nämlich eine Großoffensive starten. Nur in der Türkei zwar, aber wer weiß schon, ob es gelingt, die Kurden in Deutschland "unter Kontrolle zu halten" - wie sich PKK-Europachef Ferhan Harran ausdrückte.

Nachdem der Menschenrechtskrieg auf dem Balkan für Bonn so erfolgreich war, will das Haus Fischer die Humanität nun als festes Argumentationsmuster deutscher Außenpolitik etablieren. Mitte Februar war sich die Behörde noch ganz sicher, daß deutsche Waffen die Menschenrechte kein bißchen verletzen - zumindest nicht in der Türkei. "Die Bundesregierung verfügt über keine Erkenntnisse, daß aus Deutschland gelieferte Waffen von den türkischen Streitkräften gegen die kurdische Zivilbevölkerung oder bei grenzüberschreitenden Operationen eingesetzt wurden", hieß es damals.

Im Wirtschafts- und im Verteidigungsministerium, so berichtet der Spiegel, hat sich an dieser Auffassung nichts geändert. Deswegen befürworten beide im Bundessicherheitsrat das Fuchs-Geschäft mit der Türkei. Nur das Haus Fischer ist dagegen - "der eigenen Glaubwürdigkeit wegen". Wer Jugoslawien zerstückelt, darf auch die Türkei nicht zu mächtig werden lassen.

Ecevits Ankündigung, künftig sollten türkische Gefängnisse stärker kontrolliert werden, wirkt dagegen hilflos. Menschenrechte dienen der Bundesregierung nur als Vorwand. Während die Ministerien über Waffenlieferungen verhandeln, wird weiterhin eifrig in die Türkei abgeschoben - trotz drohender Folter und Todesstrafe.