Maloche für Martine

Die französische Arbeitsministerin Aubry hat einen Entwurf für das Gesetz zur 35-Stunden-Woche vorgelegt

Weniger kann mehr sein: mehr Geld für die Betriebe zum Beispiel. Weniger kann aber auch genausoviel wie zuvor sein: Man kann in 35 Stunden soviel arbeiten wie in 38 oder 40. Dies weiß auch die französische Regierung - und handelt danach. Mit der Veröffentlichung des Regierungsentwurfs für das in nächster Zukunft zu verabschiedende zweite Gesetz zur Arbeitszeitverkürzung, mit dem definitiv die 35-Stunden-Woche eingeführt werden soll, hat sie in der vergangenen Woche die Eckpunkte ihrer Wirtschafts- und Sozialpolitik bekanntgegeben.

Die Unternehmen können sich nicht darüber beklagen, von der Linksregierung zu schwere Bürden auferlegt zu bekommen. Die 35-Stunden-Reform, ein zentraler Punkt der sozialen "Transformations"-Politik der rosa-rot-grünen Koalition, war von Anfang an darauf angelegt, die Unternehmer nicht allzusehr zu belasten. So sollte der Staat jenen Betrieben mit bis zu 9 000 Francs (1 500 Euro) pro Beschäftigten jährlich unter die Arme greifen, die ihre Arbeitszeit um mindestens zehn Prozent reduzierten und dafür mindestens sechs Prozent zusätzliches Personal einstellten.

Außerdem soll die Reform zum überwiegenden Teil nicht per Gesetz, sondern durch betriebliche Abkommen zwischen Kapital und Arbeit konsensuell umgesetzt werden. Das ließ den Unternehmen alle Spielräume offen, ihre Arbeitskräfte flexibler einzusetzen. Einem Bericht des Wirtschaftsmagazins Challenges zufolge, waren die durch die Reform neugeschaffenen Arbeitsplätze demnach zumeist in den Marketing- und Vertriebsabteilungen jener Firmen angesiedelt, die wegen der größeren Flexiblität expandieren konnten. Deren Beschäftigte arbeiten demnach oft genausoviel wie vorher, nur in einer kürzeren Zeit. Dennoch scheint bisher die Mehrzahl der Beschäftigten mit der Reform zufrieden - bietet sie ihnen doch die Chance, für einen längeren Zeitraum der Arbeit zu entfliehen.

Die von Martine Aubry vorgestellten Grundzüge des zweiten Gesetzes bekräftigen nun klar die bisher gewählte Option für einen Übergang zur 35-Stunden-Woche im Konsens zumindest mit dem modernisierungswilligen Teil des Kapitals - während der Unternehmerverband MEDEF noch immer Zeter und Mordio schreit, um seine konservativen Mitglieder zufriedenzustellen.

So soll die 35-Stunden-Woche als gesetzliche Norm zwar nach wie vor ab Januar 2000 gelten (bzw. ab 2002 für die Betriebe mit unter 20 Beschäftigten). Aber wie Madame Aubry diese Woche klarstellte, soll dafür eine Übergangsfrist von einem bzw. zwei Jahren gelten. Während dieser Übergangsperiode sollen die Überstunden zwischen der 35. und der 39. Wochenstunde (bis zum Jahr 2001) nur mit einem unterdurchschnittlichen Lohnaufschlag von zehn Prozent bezahlt werden - das entspricht einer Erhöhung des Gesamtlohns um ein Prozent.

Damit die Lohnabhängigen nicht aus finanziellen Gründen den späteren Übergang zur verkürzten Arbeitszeit verweigern, soll der Aufschlag in einen Fonds fließen, aus dem Arbeitslose unterstützt werden. Und erst ab 2002 werden die Wochenstunden ab der 36. voll auf das jährliche Überstunden-Kontingent angerechnet.

Die geplante Übergangsperiode soll den Unternehmen Zeit lassen, damit sie die 35-Stunden-Woche durch eine neue Arbeitsorganisation realisieren können. Der Gewerkschaftsbund CGT und die Grünen erklärten diese weitere Verzögerung der 35-Stunden-Woche in der letzten Woche für skandalös. Die Regierung kann aber auf einen wichtigen Verbündeten rechnen, den sozialdemokratischen Gewerkschaftsbund CFDT.

Der von Aubry vorgestellte Gesetzentwurf sieht außerdem finanzielle Anreize für die Unternehmen vor, die im Konsens mit einer oder mehreren Gewerkschaften den Übergang zur 35-Stunden-Woche vereinbaren. Für die niedrigen Löhne sollen erhebliche Nachlässe auf die Sozialabgaben gewährt werden. Finanziert werden soll dies unter anderem durch eine neue Unternehmenssteuer, die aber nur eine in diesem Jahr abgeschaffte Sonder-Gewerbesteuer ersetzt.

Zum anderen soll eine Ökosteuer auf besonders umweltschädliche Produktionen das fehlende Geld in die Sozialkassen bringen. Die CGT hat diese Koppelung von Ökosteuer und Arbeitzeitverkürzung bereits als verfehlt kritisiert - denn entweder funktioniert die Ökosteuer, und es gibt weniger Einnahmen infolge geringerer Verschmutzung, oder aber sie hat schlicht ihren Zweck verfehlt.

Profitieren von den Abgabensenkungen sollen allerdings nur jene Betriebe, die ihre Abkommen entweder mit den Mehrheitsgewerkschaften unterzeichnet oder wo die Beschäftigten in einer Urabstimmung zugestimmt haben. Damit soll die Legitimität jener Abkommen, die von minoritären Gewerkschaften mit den Unternehmen ausgehandelt werden und nach geltendem Gesetz anwendbar sind, eingedämmt werden.

Immerhin ein kleiner Fortschritt, der aber relativ bleibt: Solche minoritären Abkommen bleiben gültig, sie verleihen den Betrieben nur kein Recht auf Nachlässe bei den Sozialabgaben.