Alternative Lebensformen

Arbeitsessen

Grillabend im Mauerpark. Die Sonne hat sich in der östlichen Einöde versenkt, hier und da lodert noch ein Lagerfeuer, in der Ferne werden Trommeln getrommelt und Gegröle wird gegrölt. Glückliche Arbeitslose und überdrüssige Arbeitende sitzen in friedlichem Plausch beieinander.

Es gab also keinen äußeren Grund, über Kosovo-Diskussionen zu reden. Und doch kam das Gespräch zielstrebig auf die Anti-Kriegs-Demo am Kleistpark, 24. April. Rund 500 Leute laufen an einem verlorenen Ende der Stadt durch die Straßen, bleiben kurz stehen, schauen einander verständnislos an, und zwei Gruppen ziehen in verschiedene Richtungen weiter. Das ist zwar schon ewig her, und es war nur eine Demo - aber man kann immer noch darüber streiten.

In Berlin, hieß es neulich in der Berliner Zeitung, gibt es derzeit einen richtigen Demo-Boom. Statt der lumpigen 1 854 Kundgebungen im letzten Jahr sind es 1999 bisher schon 1 420. Das sind sieben bis acht am Tag. Die Love Parade und die Fuck Parade am kommenden Samstag sind da nur zwei mehr. Und wie jede gute Gewerkschaftsdemo halten sie nicht, was sie versprechen. Statt Romantik und Sex gibt es nur Gedränge, Lärm und Dosenbier.

Über die Love Parade ist nun wirklich schon alles gesagt, was man darüber nur sagen kann. In jeder Hinsicht. Was soll man da noch mit einer Fuck Parade? Früher hieß die ja Hate Parade und Fuck-Chef Trauma XP fand den öden Kommerz der planetcom schon immer - also seit 1996 oder 1997, darüber gehen die Meinungen in der Lokalredaktion auseinander - irdendwie so blöd, daß man was dagegen tun müsse. Also z.B. zum selben Termin eine Anti-Love Parade organisieren.

Dabei sollte man der planetcom wirklich allen Respekt zollen - denn noch niemand hat die Stadt so an der Nase herumgeführt wie Matthias "Motte" Roeingh. Gerade noch mit dem Kofferradio unterm Arm durch die Stadt gezogen, ist er jetzt Plattenaufleger für Millionen. Ob Trauma XP das auch so hinkriegt?

Wir wünschen ihm alles Gute auf seinem Weg. Soll sich ein Beispiel an den Grünen nehmen. Die haben es schließlich auch vom Farbbeutel in den Krisenbunker geschafft. Außerdem sollte er zwischen Love Parade und Fuck Parade mal eine kurze Pause einlegen. Vielleicht zum Grillen in den Mauerpark?

"Hey, was machen eigentlich die Nackensteaks?" wacht man plötzlich aus der Kosovo-Debatte auf und versucht, ein Resümee zu ziehen: Nach dem Krieg ist vor dem Krieg. Das Bombardement dauert 90 Minuten. Die Zivilgesellschaft ist rund.

Ist auch bestimmt irgendwo wieder 'ne Demo dagegen angemeldet.