Juniorpartner mit Balkan-Know-how

Griechenland will sich nach dem Krieg in Jugoslawien als Regionalmacht auf den Balkan profilieren

Üble Verwünschungen hagelte es von allen Seiten. Die "imperialistische USA" benutze die Nato als Werkzeug ihrer "möderischen Pläne", wetterte beispielsweise der Erzbischof in Athen, Christodoulos, als der Krieg gegen Jugoslawien noch im vollen Gange war. Er konnte sich der Unterstützung seiner Schäfchen sicher sein - 96 Prozent der Griechen lehnten damals den Angriff der Nato gegen Jugoslawien im Kosovo strikt ab.

Schwierige Zeiten also für die sozialdemokratische Pasok-Regierung unter Ministerpräsident Kostas Simitis, die damals unter innenpolitischen Druck geriet. Sie mußte während des Kosovo-Krieges einige politische Widersprüche aushalten: Einerseits wollte sie beweisen, daß Griechenland ein treuer Bündnispartner der Nato ist; auf der anderen Seite versuchte sie im Inland den geballten Zorn zu besänftigen. Daher beteiligte sich weder die griechische Armee direkt an Kampfhandlungen, noch wurde den Nato-Bombern gestattet, die dortigen Stützpunkte zu benutzen. Gleichzeitig wickelte die Nato jedoch einen großen Teil ihrer Truppenbewegungen und den Nachschub über griechische Häfen und Straßen ab.

Gerechtfertigt wurde diese indirekte Kriegsbeteiligung mit dem Argument, daß man wegen dem Druck der USA und der Westeuropäer keine andere Wahl gehabt habe, als sich deren Kriegsdiktat zu beugen. Tatsächlich fürchtete die Regierung in Athen eine allgemeine Destabilisierung des Balkans und lehnte daher die Nato-Politik von Anfang an ab. Dennoch überdeckte der ständige Verweis auf die äußeren Zwänge, daß der Krieg für die politische Klasse Griechenlands auch einige Vorteile mit sich brachte.

Diese bemüht sich schon seit geraumer Zeit, ihre politische wie ökonomische Vormachtstellung auf dem Balkan auszubauen. Mangels eigener politischer und ökonomischer Masse läßt sich dies allerdings nur im Kielwasser der global player aus EU und Nato bewerkstelligen. Denen dient sich die griechische Führung daher als Juniorpartner mit Balkan-Know-how an.

Und das ist ihr auch ansatzweise gelungen. Das Land hat sich wegen seiner geographischen Lage und seiner militärischen wie zivilen Infrastruktur als unentbehrlich für Nato-Aufmärsche in der Region erwiesen. Voraussichtlich darf sich Saloniki freuen, Sitz der Zentrale für die Umsetzung des Balkan-Stabilitätspakts zu werden. Die Bedeutung Griechenlands für die Balkan-Strategie des Westens würde damit deutlich aufgewertet. Auch die Position gegenüber dem Erzfeind Türkei, mit dem man um Einluß in der Region konkurriert, wäre gestärkt.

Um diese Stellung noch auszubauen, trägt die griechische Regierung die Balkan-Politik des Westens mit und ist bemüht, militärisch Präsenz zu zeigen. In Bosnien ist bereits ein griechisches Kontingent stationiert, und auch an dem Kfor-Einsatz im Kosovo wird sich das Land mit voraussichtlich rund 2 000 Soldaten beteiligen.

Daß sie auch Eingeninitiative entwickeln können, bewiesen die Griechen vor zwei Jahren. Damals versuchten sie, gemeinsam mit den Italienern, den kollabierten albanischen Staat wiederzubeleben: Athen schickte seine Soldaten, um das Chaos einzudämmen und das staatlichen Gewaltmonopol wieder herzustellen - was allerdings nur teilweise gelang. Seitdem mischt sich die griechische Regierung mehr oder weniger offen in die Angelegenheiten Albaniens ein.

Die Beziehungen zu den nördlichen Nachbarn, die nach dem Zusammenbruch der realsozialistischen Regimes zunächst durch Streitereien um Territorien und Minderheiten geprägt wurden, sind seit Mitte der neunziger Jahre systematisch verbessert worden. Mittlerweile betätigt sich Griechenland gönnerhaft als deren Fürsprecher in der EU.

Die neuen machtpolitischen Ambitionen korrespondieren mit der wachsenden Bedeutung Griechenlands als ökonomisches Zentrum des südlichen Balkan. Die mit EU-Subventionen gedopte griechische Volkswirtschaft ist - neben der türkischen - die größte und dynamischste in der Region.

Wegen ihrer geographischen Lage und des recht guten Zustandes sind die griechischen Verkehrswege - besonders der Hafen von Saloniki und die Fährverbindungen nach Italien - unersetzbar für den Warenverkehr in der Region; durch die ständigen Krisen und Kriege sind die Landwege nach Westeuropa regelmäßig unterbrochen.

Seit Anfang der neunziger Jahre wurden Hunderttausende von Einwanderern aus den Nachbarstaaten - vor allem aus Albanien - angezogen, die hauptsächlich die florierende griechische Schattenwirtschaft mit billiger Schwarzarbeit versorgen. Ihr Verdienst stellt mittlerweile eine wichtige Einkommensquelle für ihre Herkunftsländer dar. Die griechische Landeswährung, die Drachme, ist dadurch weit verbreitet und hat sich in einigen Regionen nach der D-Mark als zweite ausländische Hartwährung etabliert.

Auch griechische Unternehmen expandierten während der letzten Jahre auf dem gesamten Balkan. Bewährt hat sich dabei die Kooperation mit finanzkräftigen Partnern aus Westeuropa, die das verhältnismäßig stabile Land als Sprungbrett für die Region nutzen. Allerdings erbrachten diese Investitionen bisher nicht die erwarteten Profite, da die globale Finanzkrise vor zwei Jahren die Balkan-Staaten besonders hart getroffen hatte und die langsam einsetzende Erholung durch den Kosovo-Krieg wieder zunichte gemacht wurde.

Dennoch wird sich auch aus diesem Krieg Kapital schlagen lassen. Die Chancen, daß Griechenland doch noch an der europäischen Währungsunion teilnehmen darf, sind dank der Bündnistreue seiner Führung weiter gestiegen. Darüber hinaus soll die EU für kriegsbedingte wirtschaftliche Verluste in den Bereichen Tourismus und Export aufkommen. Schließlich hoffen die griechischen Unternehmen, von dem in Deutschland vielgepriesenen Balkan-Stabilitätspakt zu profitieren und vor allem bei Investitionen in Jugoslawien Vorteile zu erzielen.

Die guten Beziehungen, die man sowohl zum Westen als auch - dank der relativ distanzierten Haltung zur Nato-Politik - zum serbischen "Schurkenstaat" unterhält, werden dabei sicherlich von Nutzen sein.