Schröder-Besuch in Prizren

Neues Deutschland

Auf einen solch freudigen Empfang im Ausland mußten der deutsche Kanzler und seine Soldaten über ein halbes Jahrhundert warten. "Schröder, Schröder" und "Danke, Deutschland" riefen Tausende auf den Straßen, als der Kanzler vergangenen Freitag durch die Innenstadt von Prizren marschierte. Sichtlich bewegt von dem schönen Erlebnis, formulierte er anschließend seine Gedanken vor den Truppen.

Dort feierte sich Schröder als eine Art Wiedergänger von Sepp Herberger - ähnlich wie nach dem WM-Sieg 1954 in Bern wurde der erfolgreiche Krieg im Kosovo von ihm als nationales Erweckungserlebnis zelebriert: Wir sind wieder wer, die Welt hat künftig wieder mit uns zu rechnen. Die Bundeswehrsoldaten bekamen so zu hören, was Schröder wenige Tage zuvor schon einmal bei den Gelöbnis-Feiern in Berlin zum besten gegeben hatte. Aufgabe der Bundeswehr sei nicht mehr "nur der Schutz der Bundesrepublik", sondern die "Verantwortung für die Menschenwürde" - auch außerhalb der deutschen Grenzen. Ihr Einsatz trage dazu bei, "historische Schuld und historische Verbrechen, die im deutschen Namen begangen wurden", durch ein anderes Bild Deutschlands zu ersetzen.

Daß man mit dem neuen Deutschland rechnen muß, weiß man in Südosteuropa spätestens seit dem Krieg gegen Jugoslawien. Beeindruckender als die salbungsvollen Worte Schröders ist dort sicherlich nur noch die materielle Realität: Für die ökonomisch ruinierte Region heißt die einzige Perspektive EU; alles andere käme einem wirtschaftlichen Selbstmord gleich. Und dieser Weg führt für die Balkan-Länder nur über Deutschland. Niemand kann es sich im europäischen Südosten daher auf Dauer leisten, sich gegen den Willen aus Berlin zu stellen. Besonders anschaulich ist dies in den internationalen Protektoraten zu betrachten. Im Kosovo, in Montenegro, Albanien oder Bosnien hat die deutsche Mark längst alle anderen Währungen in den Hintergrund gedrängt; ähnlich wie der Dollar im US-amerikanischen Hinterhof ist die Mark konkurrenzlos als souveränes Zahlungsmittel anerkannt.

Daß die Etablierung Deutschlands als europäische Hegemonialmacht ausgerechnet mit dem historischen Verweis auf den Nationalsozialismus legitimiert wird, ist dabei das besondere Verdienst der rot-grünen Koalition. Sie präpariert das Paradigma der Nachkriegszeit - von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen - im gegenteiligen Sinne zum neuen Grundsatzprogramm. Gerade weil sie die Aufbruch-Generation gegen die Nazi-Ahnen verkörpert, legitimiert sie die nationalen Interessen nach außen besser, als es ihre konservativen Vorgänger je hätten leisten können. In einer Art sozialdemokratischer Dialektik wurde dafür der kulturelle Überbau der Nach-68er mit der konservativen Basis verbunden.

Damit werden die bisherigen Basiselemente der zivilen Gesellschaft, freie Marktwirtschaft und parlamentarische Demokratie, endgültig mit ihrer dritten Komponente, der militärischen Gewalt, versöhnt. Neben Flower-Power, Armani-Anzügen und flexiblen Arbeitszeiten gehören nun auch Stahlhelm und Kampfuniform zur Grundausstattung. Deutsche Soldaten sind jetzt gute Soldaten, tragen schicke Sonnenbrillen und kämpfen für Love, Peace und Menschenrechte in aller Welt. Spätestens bei ihrem ersten Truppenbesuch in Prizren wird auch Angelika Beer den Erfolg des grünen Reformprojekts bestätigen können.

Und auch die Konservativen können sich freuen, wenn sie irgendwann die politische Macht in Deutschland und Europa wieder übernehmen werden. Nach solchen Erfolgen für die Berliner Republik können sie künftig nicht nur die Grenzen in Jugoslawien neu ordnen, sondern vermutlich auch anderswo.

Daß es bei solch großen Aufgabe mit der Verwirklichung der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte auf Anhieb nicht so richtig klappt, daß sich auch die neuen Freunde noch am Riemen reißen müssen, ist dabei nur Nebensache. Oder, wie ein "Soldat aus Chemnitz" im Berliner Tagesspiegel über seine Erfahrungen beim Friedenseinsatz mit der neuen deutschen Leichtigkeit formulierte: "Die Albaner sind ja ganz nett, nur schade, daß sie alles niederbrennen."