»Es wäre dumm, der CDU immer ähnlicher zu werden«

Interview mit Detlev von Larcher, Sprecher des Frankfurter Kreises von SPD-Linken

Oskar Lafontaine ist wieder da - und zwar in Gestalt von vielen kleinen Stellvertretern: Könnte man so die aktuellen Auseinandersetzungen in der SPD verstehen?

Das würde ich anders sehen. Reinhard Klimmt ist ein sehr selbständig denkender Mensch und macht eine gute Politik im Saarland. Wer sagt, er sei nur Sprachrohr von Oskar, redet wie der Blinde von der Farbe oder ist böswillig. Ich bin sehr einverstanden mit seinem Brief an seine Vorstandskollegen und dem, was er darin sagt: Daß man bei dem Konsolidierungsprogramm für den Staatshaushalt auch die Reichen einbeziehen muß und daher die Vermögenssteuer wiederbeleben soll.

Gerhard Schröder hat jetzt vorgeschlagen, die Einführung der Vermögenssteuer den Ländern zu überlassen.

Das ist in der Sache unzulässig: Schließlich ist das Vermögenssteuergesetz auf Bundesebene noch existent. Die Länder können daher im Bundesrat eine Aufforderung an die Bundesregierung richten, aber selbst nicht aktiv werden. Schleswig-Holstein oder Brandenburg können nicht im Alleingang diese Steuer einführen. Darüber brauchen wir erst gar nicht zu reden.

Wer Vermögen hat, weiß in der Regel auch, wie eine Besteuerung umgangen werden kann. Ist das nicht eher ein symbolischer Streit um Begriffe wie Gerechtigkeit - ohne daß damit noch substantielle Veränderungen verbunden sind?

Die Vermögenssteuer brachte einen durchaus ansehnlichen Ertrag von neun Milliarden Mark in die Kasse. Und es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit. Schließlich steht im Konzept von Finanzminister Hans Eichel, daß alle zur Konsolidierung des Haushaltes beitragen sollen. Angesichts dessen, was bisher vorgeschlagen wurde, ist die Frage berechtigt, wo der Beitrag der Reichen in dieser Gesellschaft bleibt. Zumal die Vermögensverteilung innerhalb der Gesellschaft immer weiter auseinanderklafft.

Mit wem wollen Sie eine Umverteilung durchsetzen?

Wir haben doch im Bundestag die Mehrheit. Wenn man will, ist das ganz leicht zu machen. Wir sagen ja auch, daß statt dessen die Erbschaftssteuer erhöht werden kann. Fast einstimmig hat die Fraktion die Bundesregierung aufgefordert, hierzu ein Konzept vorzulegen. Der Bundeskanzler selbst hat es nun in der Hand, die Schärfe aus der Debatte rauszunehmen, indem er sagt, ich bin nicht mehr dagegen.

Woher kommt der Widerstand bei Schröder?

Er will jetzt keine Diskussion um Steuererhöhungen. Diesen Einwand halte ich aber nicht für berechtigt. Es geht um die Frage der sozialen Gerechtigkeit - und mit dem Schröder-Blair-Papier ist leider der Eindruck entstanden, daß unser erfolgreicher Wahlslogan "Innovation und Gerechtigkeit" nur noch nach der ersten Seite hin ausgerichtet werden soll.

Was unterscheidet denn die SPD noch von den Positionen der CDU? Die Partei vermittelt doch mittlerweile den Eindruck, daß sie nach der Regierung nun auch noch die Opposition übernehmen will.

Wenn wir eine Politik nach dem Schwerpunkt dieses Papiers machen würden, dann kann man wirklich fragen, was wir noch grundlegend anders machen als die CDU. Aber wenn man genau hinsieht, kann man doch die großen Veränderungen erkennen, die wir erreicht haben: beispielsweise bei der Steuerreform, die den unteren und mittleren Einkommen viel bringt. Wir haben die arbeitnehmerfeindlichen Gesetze der alten Regierung zurückgenommen. Deswegen wäre es dumm, wenn wir jetzt den Eindruck erwecken wollten, daß uns nichts mehr von der CDU unterscheidet.

Reinhard Höppner, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, hat der Kritik von Klimmt zugestimmt und erklärt, die von Schröder angestrebte Neue Mitte sei im Osten nur schwer zu finden. Statt dessen gibt es dort die PDS.

Die Koalitionen werden in den neuen Ländern beschlossen und sind deren Sache. Die Sozialdemokraten dort haben recht, wenn sie sagen, daß die Neue Mitte im Osten anders verstanden wird als im Westen. Aber ich hebe mit dieser problematischen Debatte nicht auf eine andere Partei ab, sondern konzentriere mich auf das, was in der SPD geschieht.

Und was will die Linke in der SPD, abgesehen von der Vermögenssteuer?

Die Linke ist natürlich bemüht, das Hauptproblem, die Massenarbeitslosigkeit, in den Griff zu bekommen. Aktive Arbeitsmarktpolitik ist ein wesentlicher Bestandteil im Kampf gegen die Beschäftigungskrise. Das unterscheidet uns von der Kohl-Regierung. Dazu gehören aber auch Strukturmaßnahmen, die ökologische Steuerreform und Fragen der Arbeitszeitverteilung.

Genau in diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wieviel man dem Markt überlassen kann - und was gesteuert werden muß. Das ist die Auseinandersetzung. Die Nachfrageseite wurde von der Kohl-Regierung sehr vernachlässigt, das muß wieder mehr Gewicht bekommen.

Was kann eine linke Nachfragepolitik vor dem Hintergrund von Eichels Sparmaßnahmen überhaupt noch bewegen - außer einige Details zu ändern?

Wir haben dafür gesorgt, daß Forschung und Entwicklung im Haushalt ein Schwerpunkt bleiben, daß die aktive Arbeitsmarktpolitik verstetigt wird. Und um auf die Vermögenssteuer zurückzukommen: Wenn wir damit fünf bis sechs Milliarden zusätzlich einnehmen, haben wir wieder mehr Spielraum, um eine andere Politik finanzieren zu können.

Bei einer Gesamtsumme von weit über hundert Milliarden Mark, die Eichel in den nächsten Jahren einsparen will, ist das nicht gerade ein überwältigender Betrag.

Der Finanzminister hat selber gesagt: Sollte die Konjunktur abwärts gehen, könne man nicht in die Abwärtsspirale hineinsparen. Man muß also sehen, in welchen Stufen man konsolidieren kann. Langfristig muß durch den Schuldenabbau wieder ein größerer Spielraum geschaffen werden. Dabei muß man allerdings vermeiden, daß sich die Sparmaßnahmen kontraproduktiv gegen die Beschäftigungspolitik wenden.

Wenn der Spielraum so eng ist, wie Sie sagen, wäre es dann nicht die konsequentere Entscheidung, wie Lafontaine das Handtuch zu werfen?

Lafontaine hat selber auf die Notwendigkeit von Sparmaßnahmen hingewiesen - wegen Maastricht und der hohen Staatsverschuldung. Ich finde es sehr schade, daß er das Handtuch geworfen hat. Lafontaine und Schröder hätten die verdammte Pflicht gehabt, ihre Politik so abzustimmen, daß beide im Amt hätten bleiben können. Der Abgang von Lafontaine hat erst zu der aktuellen Debatte geführt. Die Medien haben natürlich alle sofort geschrieben: Der Linke geht, der Rechte bleibt.

Ist das etwa nicht so?

Das müssen wir noch sehen, ob das wirklich so ist. Darüber geht jetzt die Auseinandersetzung.