Diesners Nachfolger

In einer Hamburger Neonazi-Zeitschrift wirbt der Nationale Widerstand für bewaffnete braune Zellen

"Wir sind im Krieg mit diesem System und da gehen nun mal Bullen oder sonstige Feinde drauf", erklärt die Neonazigruppe Nationalrevolutionäre Zellen in der aktuellen Ausgabe des Hamburger Sturm (HS), der Zeitschrift der Freien Nationalisten. Im Gespräch mit der Redaktion um die Hamburger Neonazis Thorsten Bärthel und Torben Klebe legen die selbsternannten braunen Zellen dar: "Wir sind eine Gruppe von mehreren Personen, die in der NPD tätig sind, aber mit dem NPD-Führungsstil unzufrieden geworden sind." Deshalb habe man "den neuen Weg als handelnde Aktivisten aus dem Untergrund eingeschlagen".

Mitmachen bei dem "Untergrundkampf für die Freiheit der Weißen Völker" sollen ausschließlich Männer, die Kampfsport betreiben, mit Waffen umgehen können und Computerkenntnisse haben. Frauen seien "meistens zu labil". Wer nicht bei der Bundeswehr gelernt habe, mit der Waffe umzugehen, dem wird empfohlen, dies in Gotcha-Vereinen oder im Ausland nachzuholen.

Als einzig ernst zu nehmende politische Gruppe nennen die braunen Zellen die britische Naziterrorgruppe Combat 18 (C 18), die als Vorbild dient. Aus dem Umfeld dieser in klandestinen Zellen organisierten Gruppe wurden im Frühsommer dieses Jahres in London drei Bombenanschläge verübt, bei denen drei Menschen getötet und mehrere Hundert verletzt wurden. Wie C 18, die bei internen Konkurrenzkämpfen nicht vor Morden und Briefbomben zurückschrecken, betonen die braunen Zellen die Notwendigkeit eines Selbstreinigungsprozesses von den "ganzen Fun-Glatzen und Schnulzen-Bands".

Gelobt wird der Anschlag des in einer ähnlichen Gruppe organisierten Kay Diesner auf einen PDS-Buchhändler und die Erschießung eines Polizeibeamten als "ganz persönlicher Akt der Befreiung". Die Zeitschrift Hamburger Sturm gibt den braunen Zellen auch die Gelegenheit, der Leserschaft Tips für den Kampf aus dem Untergrund nahezubringen: Wie führt man konspirative Gespräche, warum ist es wichtig, die eigene Wohnung aufzuräumen, wohin bringt man den Müll?

Die Ausrichtung der braunen Zellen paßt zum Selbstverständnis des seit 1994 regelmäßig erscheinenden Hamburger Sturm, der sich bis 1997 Bramfelder Sturm nannte. Nach dem Verbot der Nationalen Liste (NL) und deren Zeitung Index bauten, zusammen mit anderen, die ehemaligen NL-Mitglieder Thorsten Bärthel und Torben Klebe die Zeitschrift als Mischung aus einem Skin-Musik-Fanzine, einem Nazi-Hool-Mitteilungsblatt und einer nationalsozialistischen Propagandazeitschrift auf.

Anfangs eher für die Hamburger Skinhead-Szene konzipiert, entwickelte sich die Zeitschrift spätestens nach der Umbenennung in Hamburger Sturm in ein Blatt für "Freie Nationalisten" aus ganz Norddeutschland. Neben Konzertberichten, Platten- und Fanzine-Empfehlungen sowie Berichten über die Aktionen des Nationalen Widerstands finden sich immer wieder auch Anregungen zu militanten Aktionen. Auf der Anti-Antifa-Seite werden Daten von linken Zentren und Personen bekanntgegeben, die "besucht werden können". Auf den Sportseiten stehen Hooligan-Auseinandersetzungen, Hetze gegen "Multi-Kulti-Fußballer" und Gotcha als "Wehrertüchtigung" im Vordergrund.

In einer mehrteiligen Rechtshilfe-Serie gibt der Sturm auch Tips zum Verhalten gegenüber Polizei und Justiz. Immer wieder bejammert werden die "Repressionen der 'ZOG' (Zionist Occupied Government) gegen die Nationale Bewegung". Auf den "Seiten für die politischen Gefangenen" berichteten Christian Worch und Garry Lauck über ihre Haftzeit in Santa Fu; Kay Diesner bedankt sich in einem Leserbrief für die Unterstützung durch die Zeitschrift.

Sehr gute Beziehungen unterhält der Sturm zum Neonazi-Musiknetzwerk Blood & Honour (B&H), über deren Konzerte ausgibig berichtet wird und deren Platten/CDs empfohlen werden. Torben Klebe, der im Herbst 1998 wegen Verbreitung einer indizierten CD der Berliner Nazi-Band Landser zwei Monate in U-Haft saß, ist der Kontaktmann der Redaktion zu B&H-Sektionen in Berlin und in Skandinavien.

Fest eingebunden in das norddeutsche Netz der Freien Nationalisten beteiligt sich die Zeitschrift mittlerweile mit einem eigenen Block unter der Leitung von Klebe an Neonazi-Demonstrationen. Uniformiert marschierten die rund 80 Anhänger am 1. Mai bei dem verbotenen Aufmarsch in Ahrensburg mit, organisierten eine eigene Demo gegen ein Rock gegen Rechts-Festival in Elmshorn und beteiligten sich an der Demonstration der Neonazis gegen die Wehrmachtsausstellung Mitte Juli in Hamburg-Bergedorf.

Parallel zur Struktur der Freien Nationalisten ist auch im Hamburger Sturm eine zunehmende Radikalisierung zu beobachten. Das Interview mit den braunen Zellen stellt dabei einen qualitativen Sprung dar: Erstmals wird Naziterrorismus offen propagiert. Auch eine andere Zeitschrift der Freien Nationalisten, das Zentralorgan, mag da nicht zurückstehen: In einer der letzten Ausgaben wurde ein Interview mit William Pierce, dem Autor der "Turner Diaries", veröffentlicht. Die "Diaries", die Bibel des Naziterrorismus, propagieren den offenen Krieg "für den Erhalt der weißen Rasse". "Von einer terroristischen Gruppe kann nicht die Rede sein", beschwichtigt dagegen der Hamburger Verfassungsschutzpräsident Reinhard Wagner im Gespräch mit Jungle World. Auch ein "terroristisches Netzwerk" bestehe nicht. "Viel beunruhigender", so Wagner, seien "die ganzen Waffenfunde und die vielen Einzeltaten."

Das Bundesamt für Verfassungsschutz scheint sich da nicht so sicher zu sein. Der Focus zitierte jüngst aus einer "streng vertraulichen" Studie des Bundesamtes. Darin warnen die Kölner VS-Leute vor einer neuen "aktions- und gewaltorientierten Untergrundstrategie". In Teilen der rechtsextremen Szene sei die Bereitschaft gestiegen, "politische Ziele auch mit Gewalt zu verfolgen".