Illegale Kreisläufe

Halbwertzeit überschritten: Fünf Jahre nach der spektakulären Beschlagnahme von 363 Gramm Plutonium auf dem Münchner Flughafen hat die Staatsanwaltschaft Augsburg alle Ermittlungsverfahren wegen Beteiligung an der illegalen Plutoniumeinfuhr aus Moskau eingestellt. Zwei Untersuchungsausschüsse war den Parlamentariern in Bonn und München der Skandal wert gewesen - ermittelt wurde schließlich nicht gegen irgendwen: Den Verdacht, den brisanten Schmuggel provoziert zu zu haben, konnten bis heute weder der Geheimdienstkoordinator der Kohl-Regierung, Bernd Schmidbauer (CDU), noch Konrad Porzner, Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), ausräumen. Doch ebenso wie der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU), ein Münchner Oberstaatsanwalt, mehrere Angestellte des bayerischen Landeskriminalamts sowie "Rafa", "Adrian" und "Walter Boeden" - die V-Männer des BND, die den Deal als Scheinkäufer im August 1994 in die Wege geleitet hatten - müssen sie nicht mehr mit einer Verurteilung rechnen. Denn keiner der Verdächtigen, so die Augsburger Staatsanwälte, habe sich strafbar gemacht.

Im Gegenteil: Den Behörden, schlußfolgerten die Staatsanwälte, sei nichts anderes übrig geblieben, als "durch einen Scheinkauf eine nicht bekannte Menge, vermutlich (auch) in Deutschland lagernden Plutoniums dem illegalen Wirtschaftskreislauf zu entziehen und in sichere staatliche Verwahrung zu überführen sowie die Täter auf frischer Tat festzunehmen". Die "tatentschlossene Anbieterseite" habe das Tatgeschehen gesteuert und beherrscht - weshalb den Behörden nur die Möglichkeit geblieben sei "zu reagieren". Das Landgericht München war 1995 zu anderen Schlüssen gekommen. Im Prozeß gegen die beiden Spanier und den Kolumbianer, die den verbotenen Stoff transportiert hatten, ergaben Abhörprotokolle, daß BND und LKA nachdrücklich darauf gedrängt hatten, das Plutonium nach Deutschland zu bringen. "Rafa" und "Adrian" wurden später wegen uneidlicher Falschaussagen zu Geldstrafen verurteilt.