Zero Tolerance

Die SPD hält, was sie verspricht. "Alltagskriminalität konsequent, aber bürokratiearm bestrafen" wollten die Sozialdemokraten schon im letzten Herbst. Natürlich nicht, ohne dabei die soziale Gerechtigkeit zu vergessen, wie mensch im Koalitionsvertrag nachlesen kann: "Strafrecht kann Ursachen von Kriminalität nicht beseitigen; deshalb sind eine gute Beschäftigungs- und Sozialpolitik wie auch eine an humanen Werten orientierte Gesellschaftspolitik unabdingbar."

Entschlossen, einen der am wenigsten beachteten sozialen Mißstände aus dem Weg zu räumen, zeigte sich nun die höchste Wahrerin sozialdemokratischen Gerechtigkeitempfindens, Justizministerin Herta Däubler-Gmelin: Während Kaufhäuser über immer größere Verluste durch Ladendiebe klagten, kämen die Langfinger, die den Niedergang der Warenökonomie zu verantworten haben, häufig ungeschoren davon. Dafür, daß kleinere Diebstähle künftig nicht mehr unter den Tisch fallen, will nun die Justizministerin sorgen. "Deshalb machen wir ein neues Gesetz", sagte sie der Bild am Sonntag.

Demnach sollen ab dem nächsten Jahr bei kleineren Diebstählen ein Bußgeld von 100 Mark verhängt werden. Wiederholungstätern droht ein höheres Bußgeld oder gar ein Strafbefehl. Das soll auch bei Schwarzfahren oder Urkundenfälschung - beispielsweise durch Austausch von Preisetiketten - gelten. Im Ermessen der Richter solle es liegen, ob weitere Maßnahmen, wie etwa ein Fahrverbot, kriminalsoziologisch sinnvoll seien. Wer die Strafe nicht zahlen oder bereits als Gewohnheitstäter aufgefallen ist, kann seine Schuld auch durch gemeinnützige Arbeit abtragen, schlug Däubler-Gmelin vor. Wenn das mal nicht sozial ist.