Bosnisches Pferderennen

Bestechung, Vetternwirtschaft, Schwarzmärkte - schenkt man dem Bericht einer Untersuchungskommission des Dayton-Beauftragten Wolfgang Petritsch Glauben, den die New York Times vergangene Woche zitierte, dann haben führende Politiker in Bosnien-Herzegowina Millionen Dollar an Hilfsgeldern unterschlagen. Allein die Bank von Bosnien und Herzegowina in Sarajewo soll nach Informationen der Anti-Korruptionsgruppe des Hohen Beauftragen für die Ausführung des Dayton-Abkommens (OHR) lockere 20 Millionen veruntreut haben. In der Stadt Sanski Most seien öffentliche Gelder, die zum Wiederaufbau von Wohnhäusern eingesetzt werden sollten, für eine Pferderennbahn investiert worden. Bereichert haben sollen sich sowohl kroatische, muslimische als auch serbische Politiker. Davon will Alija Izetbegovic freilich nichts wissen. "Alles Lügen", schimpfte der muslimische Vertreter im dreiköpfigen Staatspräsidium, "um die bosnische Regierung zu beschmutzen und befreundete Länder von ihrem finanziellen und militärischen Engagement in Bosnien abzubringen". Auch der Ko-Vorsitzende des Ministerrats, Haris Silajdiz, wies die Vorwürfe von sich. Die Berichte sollten davon ablenken, daß die internationale Gemeinschaft ihren Teil der Verantwortung für die Lage tragen müsse. Es sei offensichtlich, daß eine Umsetzung von Dayton nicht erwünscht sei. Für den stellvertretenden Chef der oppositionellen Sozialdemokratischen Partei des Landes, Sejfudin Tokic, stellt der OHR-Bericht "die Wahrheit über das Verhalten der herrschenden Elite dar". Daß, wie die Times behauptet, bis zu einem Fünftel der 5,1 Milliarden Dollar durch Korruption verschütt gegangen sein sollen, hält Petritsch allerdings für übertrieben.