Deutsch-polnische Freundschaft

Regionalexpreß

Man fühlte sich belästigt. Die deutsche Bundesbahn hatte für die Reisenden der Regionalexpreßzüge zwischen Frankfurt/Oder und Berlin eine Verbesserung des Services angeboten: Zwischen 15 und 20 Prozent der Reisenden dieser Linie kommen aus Polen, also sollten sie auch in polnisch über die Zwischenstopps, das Angebot an Speisen und Getränken und über mögliche Verspätungen informiert werden.

Doch nach Protesten der deutschen Reisenden, denen wahlweise die Frauenstimme aus dem Lautsprecher zu hart, die Durchsage zu unverständlich oder ohnehin alles Polnische ein Graus war, mußten die Ansagen im Regionalexpreß wieder geändert werden. Nun spricht und hört man diesseits der Oder wieder nur Deutsch.

So einfach haben es die Deutschen jenseits der Odra nicht. Doch auch hier machen sie sich immer wieder bemerkbar. In der westpolnischen Stadt Opole sammelt die sogenannte deutsche Minderheit Unterschriften gegen die von der deutschen Regierung aus Kostengründen geplante Schließung des deutschen Konsulats, wie Radio Polonia Mitte August berichtete. In der Übersetzung des Beitrags von der Deutschen Welle heißt es: Die Deutschen "in Oppeln" hätten sich für den Erhalt des Konsulats "in ihrer Stadt" eingesetzt.

So dreist und offen revanchistisch sind kurz vor dem 60. Jahrestag des deutschen Angriffs auf Polen, dem der mehr als fünfjährige Versuch folgte, Polen vollständig zu unterwerfen und seine Bevölkerung zu versklaven, nur noch wenige. Zwar reden viele in Deutschland über den 60. Jahrestag noch immer so, als hätten ein paar junge Leute nur mal eben eine Bank geplündert: Es war halt ein Überfall, so was kommt ja vor. Ansonsten aber hat man gelernt, die "Polacken" polnische Nachbarn und die Ansprüche auf das frühere Reichsgebiet eine Frage, die allein die Geschichte beantworten könne, zu nennen.

Selbst die CDU/CSU, bis heute politisches Sprachrohr zahlreicher Vertriebenenverbände, hat schon seit geraumer Zeit entdeckt, daß man die deutschen Ansprüche des Klientels europäisch tarnen kann. Radio Polonia zitiert CDU-Generalsekretärin Angela Merkel zur geplanten Schließung der deutschen Konsulate in Szczecin und Opole mit den Worten: "Dies widerspricht dem Geist der Erweiterung der EU."

Im Jahr 2003, so ist es geplant, soll Polen der EU beitreten. Einen Vorgeschmack auf das, was die EU-Ost-Erweiterung mit sich bringen wird, gibt es für Polen bereits heute an der Grenze zu Deutschland. In drei deutsch-polnischen und einer deutsch-polnisch-tschechischen Euroregion wird seit fast einem Jahrzehnt an regionalen wie überregionalen politischen Strukturen, der kulturellen Interaktion und Pflege vermeintlich gemeinsamer kultureller Traditionen gebastelt. Vor allem aber geht es, wie es in den Konzeptpapieren dieser Regionen heißt, um "euroregionale Kooperation" im Bereich der Ökonomie.

Der Begriff Kooperation ist ungefähr so euphemistisch wie das Gerede von der deutsch-polnischen Freundschaft. Während Polen für Deutschland lediglich einen Hinterhof unter anderen darstellt, ist Deutschland Polens größter Handelspartner. Mehr als ein Drittel aller polnischen Exporte geht in das Nachbarland, und ein knappes Viertel der Importe wird von dort bezogen. 23 Prozent aller ausländischen Investitionen entfallen nach Angaben der Deutsch-Polnischen Handelskammer auf Deutsche.

Die geringe Einlagesumme von umgerechnet 2000 Mark für die Gründung einer GmbH oder AG ermöglicht es sogar dem früheren deutschen Angestellten aus Swinemünde, der heute ganz gut was von seiner Rente zurücklegen kann, aber immer noch nicht Swinoujscie über die Lippen bringt, sich in der guten alten Heimat einfach einzukaufen.

Auch beim Grunderwerb in Polen liegen die Deutschen vorn. An sie ging der größte Teil der 4 300 Hektar Land, die im vergangenen Jahr durch Ausländer erworben wurden. Viel zu wenig, finden die Deutschen und verweisen auf die Vorgaben aus Brüssel. Nun bemüht sich die polnische Regierung, die bisher bestehenden Rechtsgrundlagen für den Erwerb von Grund und Boden durch Ausländer zu vereinfachen. Wer in die EU will, muß sich "öffnen".

Auch in Opole kommen die polnischen Behörden den Deutschen entgegen: Das dortige Wojwodschaftsamt bietet der deutschen Regierung nun an, die Miete für das Konsulat zu senken.