Stahl und Stroh

Beim Auftakt des US-Vorwahlkampfes setzte sich George Bush junior vom Feld der restlichen republikanischen Kandidaten ab

Weltmännisch, charaktervoll, durchsetzungsfähig und moralisch einwandfrei. In diese, im Laufe der Jahrhunderte wohldefinierte präsidiale Schablone muß passen, wer in den USA Präsident werden will.

Gelegenheit, dieses Image aufzubauen und zu verteidigen, haben die Kandidaten schon jetzt, obwohl die Wahl erst am 7. November 2000 stattfinden wird. Denn vor die Wahlen haben die großen Parteien die Primaries gesetzt, die im kommenden Winter beginnen. In diesen parteiinternen Vorwahlen entscheiden Demokraten und Republikaner darüber, wer ihr jeweiliger Präsidentschaftskandidat wird. Die hoffnungsvollen Anwärter werden unzählige Meilen zu Lande, zu Wasser und in der Luft hinter sich bringen, auf Fundraising-Galas das trainierte Siegerlächeln in die Objektive halten, Gerüchte dementieren und aussitzen und dabei ständig bemüht sein, eine möglichst präsidiale Figur abzugeben.

Vor die Vorwahlen wiederum haben die Parteien eine Vorwahl gesetzt, eine Entscheidungshilfe für die Kandidaten, ob sie sich in das kostspielige Spektakel werfen wollen: den Straw Poll. Bei der "Grand Old Party" (GOP), wie sich die Republikaner nennen, hatte diese Vor-Vorentscheidung am 14. August nun einen klaren Sieger: George Bush junior.

Alle neun Kandidaten-Anwärter der Partei fanden sich in Ames, Iowa, ein und versuchten, so viele Anhänger wie möglich zu mobilisieren. Nach einer abschließenden Debatte wurde eine Testwahl abgehalten, die keinerlei Verbindlichkeit hat. Mit 31 Prozent der Stimmen siegte dabei George Walker Bush, der amtierende Gouverneur von Texas und Sohn des ehemaligen Präsidenten George Bush. Zweiter wurde der milliardenschwere Großverleger Steven Forbes mit 21 Prozent. An dritter Stelle landete Elizabeth Dole, Ehefrau des gegen William Clinton gescheiterten Robert Dole. Sie erhielt 14 Prozent.

Weitere wichtige Kandidaten waren der ewige Verlierer Lamar Alexander, der seit sechs Jahren eigentlich nichts anderes tut, als sich um die Präsidentschaft der USA zu bemühen und der nach seiner Niederlage in Ioawa seine Kandidatur zurückzog, sowie der religiös-konservative Aktivist Gary Bauer.

31 Prozent hört sich nicht gerade nach einem fulminanten Ergebnis an; dennoch ist die Straw Poll keine unwichtige Vorentscheidung für die republikanische Präsidentschaftskandidatur. Denn erstens macht die Anzahl von neuen Kandidaten eine absolute Mehrheit für einen von ihnen sehr unwahrscheinlich, und zweitens hat der Texaner Bush in Iowa nie eine besonders starke Basis gehabt und dort lediglich acht Tage lang persönlich Wahlkampf betrieben. Daß er trotzdem als klarer Sieger hervorging, bestätigt die Ergebnisse der nationalen Umfragen, die ihn an der Spitze der republikanischen Kandidaten sehen.

Auch für das linksliberale Wochenblatt The Nation ist klar, daß Bush der Präsidentschaftskandidat der Republikaner wird - und vielleicht sogar Präsident. Redakteur Marc Cooper zitiert einen Berater der Demokratischen Partei, der Bush als "Clinton with a glint of steel", als "Clinton mit stählernem Glanz" beschreibt. Das bezieht sich sowohl auf Bushs charismatischen Stil als auch auf sein Programm.

Bush junior hat nichts von dem hölzernen Auftreten seines Vaters oder der haßerfüllten Raserei eines Newt Gingrich. Er hat für alle und jeden ein freundliches Wort übrig, spricht perfekt spanisch und ist in Iowa eigens mit einer Truppe mexikanischstämmiger Wahlhelfer angereist, mit denen er sich unter einem großen Schild mit der Aufschrift "Se habla espa-ol" ("Man spricht Spanisch") den Kameras stellte. Gesten dieser Art könnten Bush in Teilen der USA große Sympathien einbringen - in Kalifornien zum Beispiel wird die lateinamerikanische Bevölkerungsgruppe in absehbarer Zeit die Mehrheit stellen. Auch den Vorwurf des Rassismus, mit dem sich jeder republikanische Präsidentschaftskandidat früher oder später herumschlagen muß, könnte Bush auf diese Weise frühzeitig entkräften.

"Wenn man Bush reden hört und die Augen schließt, könnte man meinen, man befinde sich auf einem Wahlkampfauftritt Clintons im Jahr 1992", schreibt Marc Cooper. Damals hatte Clinton große Teile der republikanischen Positionen übernommen und diese im Tony-Blair-Stil als Erneuerung der Demokratischen Partei verkauft. Bushs Programmreden könnten der Gegenschlag der Republikaner werden. "Wir brauchen Wohlstand mit einem Ziel. Niemand darf außen vor bleiben (...) Wir werden gedeihen, wenn wir als Nation die richtigen Dinge tun." Clinton-ähnlicher geht's kaum noch.

Dazu genießt Bush den Vorteil, daß er die Rechte kaum noch von sich zu überzeugen braucht. Zwar mögen die religiösen Konservativen jetzt noch Gary Bauer favorisieren. Doch dessen magere neun Prozent bei der Abstimmung in Iowa zeigen, daß er keine Chance auf eine Nominierung durch die GOP hat. Sobald Bush nominiert ist, wird ihn auch die religiöse Rechte unterstützen, und Bauer wird brav seine Rolle als Kampagnenhelfer spielen.

Bushs Zeit als Gouverneur von Texas weist ihn als entschiedenen Gegner von Abtreibung und Schußwaffenkontrolle aus. Über die Frage der Todesstrafe verliert er in seinen Reden kein Wort. Das hat er auch nicht nötig: In seiner Amtszeit hat Bush bereits hundert Todesurteile unterzeichnet - darunter einige gegen psychisch kranke Menschen - und damit einen neuen Rekord aufgestellt.

Die Erwähnung der liberalen Reizthemen könnte Bushs Kandidatur sogar eher abträglich sein. Die Diskussion um die Todesstrafe etwa ist aufs engste mit dem Thema Rassismus verknüpft: Wie eine Statistik von amnesty international vom Mai dieses Jahres zeigt, ist der überwiegende Teil der Todeskandidaten in den USA noch immer schwarz oder Latino. Man wird sehen, ob Bush junior dafür eine plausible Erklärung findet - auf Spanisch selbstverständlich.