Die Grünen und die Rente

Armut für alle

Eines muß man den Grünen lassen: Mit ihren Vorschlägen zur Rentenversicherung haben sie es geschafft, die SPD als Partei erscheinen zu lassen, die eine maßvolle und sinnvolle Sozialpolitik betreibt. Sollte dies das einzige Ziel der Grünen-Bundestagsfraktion auf ihrer Klausurtagung in Weimar gewesen sein, dann war die Veranstaltung ein voller Erfolg. Wenn die Spitzenökos jedoch weiterhin an ihrem Konzept einer Rentenreform festhalten wollen, dann sollten sie sich in Zukunft besser um Armutssteigerung kümmern.

Denn um die Unklarheit darüber, wer nun wie wenig Rente bekommen soll, auf die Spitze zu treiben, haben die Grünen innerhalb von zwei Tagen gleich zwei Rentenkonzepte veröffentlicht. Das erste präsentierte die rentenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Karin Göring-Eckardt, noch vor Beginn der Klausurtagung: Das Rentenniveau, so ihr Vorschlag, solle langfristig auf 65 Prozent des Nettolohnes gesenkt werden, damit die Beruftstätigen nicht durch allzu hohe Beiträge zur Rentenversicherung überfordert würden.

Bislang galt, daß die Rente den Unterhalt eines voll Erwerbstätigen lebenslang sichern sollte. Während im Westen vor allem Männer berentet sind, beziehen im Osten sowohl Männer als auch Frauen Renten, die deutlich über dem Sozialhilfeniveau liegen, weil sie allesamt 30 bis 45 Jahre durchgängig gearbeitet haben. Da

sie in der Regel jedoch über kein eigenes Haus, keine Ersparnisse oder Betriebsrenten verfügen, wären die Ostrentnerinnen und -rentner von den Grünen-Plänen am meisten betroffen. Kein Zufall: Schließlich wählen die meisten von ihnen ohnehin PDS, die Wahlstrategen der Grünen werden sie längst abgeschrieben haben.

Doch nach Kritik aus der SPD nahm die Fraktionsspitze den Göring-Eckardt-Vorschlag gar nicht erst an. In Weimar hingegen verabschiedete sie ein Papier, das die sozialen Realitäten erfolgreich ignoriert. Zwar wird eine generelle Rentensenkung immer noch als Ziel proklamiert, Zahlen freilich werden nicht genannt. Statt dessen wollen die grünen Rentenexperten nun eine "bedarfsorientierte Grundsicherung" - so etwas wie eine Sozialhilfe in der Rente - einführen, die es jedoch als am Mindesteinkommen orientierte Rente längst gibt. Im übrigen soll die Rentenreform von 1957, nach der Rentner am steigenden Lebensstandard der Gesellschaft teilhaben, zum Teil rückgängig gemacht werden. Damit allerdings würde die Armut, die die Grünen zu bekämpfen vorgeben, erst erzeugt.

"Jüngere Menschen können noch durch private Vorsorge auf diese Veränderung [die Rentenreform] reagieren. Menschen, die bereits im Rentenalter sind oder es bald erreichen werden, haben diese Gelegenheit nicht mehr. Deshalb müssen diese Menschen zuverlässig vor Armut geschützt werden. Ihnen muß der entwürdigende Weg zum Sozialamt erspart werden", heißt es nun in dem Beschluß. Wenn es nach den Grünen ginge, gäbe es also demnächst zwei Klassen von Armen: eine von jüngeren, denen man den entwürdigenden Weg zum Sozialamt zumutet - in erster Linie wären dies wohl Langzeitarbeitslose sowie alleinerziehende Frauen und deren Kinder; und eine Klasse von älteren, denen die Sozialhilfe dann als Rente ausgezahlt wird. Allerdings gilt dies wohl nur solange, bis diejenigen alt werden, die es versäumt haben, privat "vorzusorgen".

Daß die Grünen nun Armut verhindern wollen, indem sie das Existenzminimum absichern, ist da nur konsequent: Denn daß das Existenzminimum in einer reichen Gesellschaft nichts anderes ist als Armut, bestreitet ja nicht einmal der sozialpolitische Flügel der CDU.

Doch die Grünen halten sich darauf etwas zugute: Wenn die Rente erst einmal auf das Existenzminimum abgesenkt ist, bräuchte man auch keine Rentenversicherung mehr. Schließlich gibt es noch die Sozialhilfe, um die Existenz abzusichern. Aber wer weiß: Wahrscheinlich machen sich die Grünen schon Gedanken über eine Reform der Sozialhilfe.