China droht Taiwan

Muskelspiele haben Tradition in Ostasien: Zu Zeiten der Erzfeindschaft mit dem sozialistischen Brudervolk exerzierte die Sowjetunion entlang ihrer Grenze zu China alljährlich die "Operation Feuerwalze" - ein Großmanöver, das den einzigen Zweck hatte, den Chinesen zu zeigen, daß sie keine Chance hätten, wenn im fernen Moskau dereinst beschlossen würde, ans Südchinesische Meer vorzustoßen.

Von der Sowjetunion lernen, lehrte der Große Vorsitzende Mao, heißt siegen lernen. Also veranstaltet Peking jetzt selbst eine Operation Feuerwalze: Mit Raketen, Kampfflugzeugen und Hubschraubern, mit Kriegsschiffen und Luftkissenbooten zeigte man dem kleinen Taiwan vergangene Woche, wie eine festlandchinesische Harke aussieht. Für alle Taiwanesen, die es immer noch nicht kapiert hatten, erklärte der Vizevorsitzende der chinesischen Militärkommission, General Zhang Wanian, das Manöver richte sich "gegen Unabhängigkeitsbestrebungen Taiwans", man werde "jeden bösartigen Versuch niederschlagen, das Vaterland zu spalten". Der taiwanesische Präsident Lee Teng Hui hatte im Juli den Zorn der Pekinger Regierung erregt, indem er die schlichte Wahrheit aussprach, daß es sich bei den Beziehungen zwischen den beiden Staaten um die Beziehungen zwischen zwei Staaten handelt. China betrachtet Taiwan, das sich nach der Revolution 1949 abspaltete, noch immer als "abtrünnige Provinz".