Grün für die Uno!

Der Friede in Ost-Timor kann nur von einer internationalen Schutztruppe hergestellt werden.
Von

Die Intervention einer multinationalen Friedenstruppe ist kein geeignetes Mittel der Außenpolitik. Sie kann bestenfalls eine verspätete Reaktion auf außenpolitische Fehler und Versäumnisse sein, die lange zuvor gemacht wurden.

In Ost-Timor ignorierte die Welt 24 Jahre lang einen der eklatantesten Verstöße gegen das Völkerrecht, der ein Vierteljahrhundert militärischen Terrors gegen die Bevölkerung des von Indonesien besetzten Landes nach sich zog. Als sich das krisengeschwächte Indonesien im Frühjahr gezwungen sah, ein Referendum über die Unabhängigkeit Ost-Timors zuzulassen, glaubten viele an einen friedlichen Übergang. Doch einmal mehr blieb es beim Glauben.

Die Erfahrung einer Jahrzehnte dauernden Dominanz des indonesischen Militärs hätte genügen müssen, um zu erkennen, daß eine friedliche Lösung des Konfliktes nicht zu erwarten war. Obgleich die Interessen des Militärs in Ost-Timor ebenso wie die Existenz der von ihm unterstützten Milizen bekannt waren, stimmten Portugal und die UN im Mai einem Vertrag mit Indonesien zu, der ausgerechnet Indonesiens Truppen die Aufgabe übertrug, für Sicherheit zu sorgen. Die eilig ins Leben gerufene UN-Mission für Ost-Timor, Unamet, erhielt weder die Berechtigung, sich im Notfall selbst zu verteidigen, noch ein Mandat, bei Gewalttätigkeiten gegen Dritte einzugreifen.

Die von vielen Seiten erhobene Forderung nach einer multinationalen Polizeitruppe, die mit ein paar Hundert leicht bewaffneten Kräften in der Lage gewesen wäre, die ebenfalls nur wenige Hundert Mann starken Milizen in Schach zu halten, wurde zu keinem Zeitpunkt ernsthaft verfolgt. Die Regierungen und Medien des Westens waren gerade mit dem Krieg im Kosovo beschäftigt. Und die antimilitaristische Linke meinte, die Forderung nach Entsendung einer multinationalen Polizeitruppe nach Ost-Timor mit dem Nato-Krieg gegen Jugoslawien gleichsetzen zu müssen.

Wie der Polizeischutz für Wähler mit der Bombardierung Belgrads verglichen werden kann, verschließt sich dem Verstand ebenso wie das Beschwören einer neo-imperialistischen Interessenpolitik durch so mächtige Staaten wie Fidschi, das als eines der ersten Länder seine Bereitschaft zur Teilnahme an dieser Mission erklärt hatte. Will man nun dem lange zuvor angekündigten Terror der Milizen Einhalt gebieten und dem Abstimmungsergebnis zur Umsetzung verhelfen, sind harte Sanktionen gegen Indonesien unumgänglich.

Ein paar Hundert Polizeikräfte wären zum jetzigen Zeitpunkt gewiß nicht mehr in der Lage, den Frieden wiederherzustellen. Wirtschaftliche Sanktionen könnten vielleicht etwas bewirken, doch angesichts der Interessen des Westens darf bezweifelt werden, daß die "guten Beziehungen" zu Indonesien ernsthaft aufs Spiel gesetzt werden. Eine zweite Asienkrise will derzeit kaum jemand riskieren. Da dem indonesischen Militär jeglicher Wille zu Zugeständnissen fehlt und dieser mit politischen Mitteln kurzfristig wohl kaum mehr zu erzwingen ist, bleibt nur der Weg, den Ost-Timoresen durch eine Friedenstruppe zu helfen. Form und Zusammensetzung dieser Truppe sind diskutierbar. Um jeden Anschein einer gegen Indonesien gerichteten Aktion zu vermeiden, wurden Vorschläge gemacht, eine Truppe aus Einheiten der Asean-Nachbarstaaten zusammenzustellen oder sogar die indonesischen Streitkräfte an dieser Truppe zu beteiligen.

Es muß verhindert werden, daß der Westen dies nutzt, um sich aus der Verantwortung zu stehlen. Eine grundlegende Veränderung der Außen- und Wirtschaftspolitik ist nötig. Auch wer die "humanitäre Aktion" im Kosovo nicht befürwortete, sollte sich fragen, ob nicht mit zweierlei Maß gemessen wird, wenn man Ost-Timor anderen oder gar sich selbst überläßt.

Alle gesellschaftlichen Kräfte Ost-Timors fordern die Welt auf, diese Friedenstruppe zu entsenden. Das Spektrum reicht von den Friedensnobelpreisträgern Horta und Belo über den nationalen Widerstandsrat CNRT und seinem Vorsitzenden Xanana Gusmao, der katholischen Kirche und den vor Ort tätigen Menschenrechtsorganisationen bis hin zu der kleinen radikalen Sozialistischen Partei Ost-Timors PST.

Wer gibt uns das Recht, die Aufrufe der Betroffenen zu ignorieren? Die von einigen Linken und Pazifisten hier geäußerten Bedenken gegenüber Friedenseinsätzen lassen Erinnerungen wach werden an diejenigen, die sich ungeachtet der Forderungen der südafrikanischen Bevölkerung seinerzeit gegen einen Wirtschaftsboykott Pretorias stark machten.

Wer das zweifelhafte Privileg hatte, das Grauen in Ost-Timor vor Ort zu erfahren, sieht die Dinge anders. Inge Lempp, eine der TeilnehmerInnen der von Watch Indonesia! organisierten deutschen Wahlbeobachtermission, erklärte nach ihrer Rückkehr aus Dili: "Ich war überzeugte Pazifistin." Jetzt fordert sie die rasche Entsendung einer internationalen Schutztruppe. Wer sich im sicheren Mitteleuropa gegen eine internationale Friedenstruppe in Ost-Timor wendet, macht sich mitschuldig am Leid der Verfolgten.

Alex Flor ist Mitarbeiter von Watch Indonesia!