Putscht’s oder putscht’s nicht?

Das ist zur Zeit die Frage in Venezuela, nachdem Präsident Hugo Chavez die Rechte des Kongresses - des bisherigen Landesparlaments - deutlich eingeschränkt und größtenteils an eine sogenannte Verfassunggebende Versammlung übertragen hatte. In der hat Chavez' linkspopulistische Wählerbewegung Patriotischer Pol eine satte Mehrheit von 92 Prozent, während sie im Parlament nur ein Drittel der Abgeordneten stellt. Die Chavez-Freunde in der Verfassungsversammlung legen ihre Rechte recht weit aus: Sie setzen schon mal einzelne Richter oder ganze Provinzregierungen ab - wegen "Korruption", sprich: wegen Korruption im falschen Sinne.

Am 9. September provozierte das einen Proteststurm von Anhängern der traditionellen, von Chavez entmachteten Regierungsparteien. Nur eine Initiative der katholischen Kirche, die eine Art Waffenstillstand bis Ende des Monats beinhaltet, konnte eine Eskalation des Konflikts verhindern. Jetzt soll der Kongreß vorläufig seine Befugnisse zurückerhalten, dafür darf er die Arbeit der Versammlung nicht behindern. Mit Spannung wird vor allem das Militär beobachtet, das, in seiner Haltung zu dem ehemaligen Fallschirmobristen Chavez gespalten, jederzeit mit der Standardbegründung: "Chaos und Anarchie" die Macht an sich reißen könnte. Damit wird vor allem für den Fall gerechnet, daß Chavez seine Anti-Korruptions-Kampagne auch auf die Armee ausdehnen sollte - sprich: die bisherigen Führungskräfte gegen seine eigenen Gefolgsleute auszutauschen.