Rot für die Uno!

Die UN haben in Ost-Timor einen Kriegsgrund produziert.

Wie kurz kann ein Gedächtnis sein? Die Bombardierung Jugoslawiens ist vor gerade einmal drei Monaten beendet worden. Dieser Krieg hat allen Übeln, gegen die er angeblich geführt worden ist - Massaker, Vertreibungen, Elend und Repression - zu neuen Dimensionen verholfen. Das war schon im Golfkrieg so, das war bei der Intervention in Somalia so.

Es war nie ein Geheimnis, daß das indonesische Militär die Milizen bewaffnet und trainiert hat und mit ihnen zusammenarbeitet. Dennoch haben die UN die indonesischen Sicherheitskräfte mit der Sicherung der Vorbereitung und Durchführung des Referendums beauftragt.

20 Prozent der ost-timoresischen Bevölkerung sind in den letzten zehn Jahren zugewandert. Die UN jedoch definierte die Abstimmungsberechtigung ethnisch - wahlberechtigt waren nur jene, die in Ost-Timor geboren sind oder einen Elternteil haben, der in Ost-Timor geboren ist, oder einen Ehepartner haben, der eine der ersten beiden Bedingungen erfüllt.

Es war kein Geheimnis, daß die Milizen schon vor Wochen für den Fall einer Niederlage bei der Abstimmung mit einem Blutbad gedroht haben. Die UN haben das Referendum abgehalten und anschließend ihre Leute abgezogen. Die UN ist eine staatliche Institution in einer kapitalistischen Welt. Und wer sich an ihr zynisches Auftreten im Irak, in Bosnien oder auch früher in Irian Jaya erinnert, muß sich nicht wundern, daß ihr das Schicksal der Ost-Timoresen in Wirklichkeit egal ist. Die UN haben in Ost-Timor eine Krise und einen Kriegsgrund produziert und ein Bauernopfer gebracht: die ost-timoresische Bevölkerung.

In Indonesien sind die Hoffnungen, im Rahmen eines Demokratisierungsprozesses stabile Bedingungen für heimisches und internationales Kapital wiederherzustellen, nicht aufgegangen. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt seit Beginn der Asien-Krise unter der Armutsgrenze. Die reaktionären Geister von gestern sind noch nicht vertrieben; sie sind immer noch unendlich reich. Die Clique um Suharto hat auch in Ost-Timor riesigen Landbesitz.

In ethnisch oder religiös motivierten Zusammenstößen auf dem indonesischen Archipel sind in diesem Jahr mehrere Tausend Menschen getötet worden. Bei den wohl niedrigsten Arbeiterlöhnen der Welt sind die Ausbeutungspotentiale groß; das Investitionsrisiko aber auch: Bauern besetzen Großgrundbesitz; die städtischen Armen demonstrieren - und vor allem: Täglich finden Streiks statt. Die Studenten rufen nicht mehr "Reformasi", sondern "Revolusi". Erst letzte Woche titelte die Jakarta Post: "On the Brink of a Revolution". So weit ist es noch lange nicht, aber es zeigt die Dringlichkeit der Wiederherstellung kalkulierbarer Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse. Dies ist offensichtlich nicht mehr allein mit IWF-Krediten zu bewältigen.

In diesem Punkt treffen sich die Interessen von indonesischen Militärs und den politisch-militärischen Agenturen des Kapitals. Druck oder Aggression von außen wird dem Militär Möglichkeiten geben, die Macht und den Einfluß wieder zu erlangen, die es durch die Massenbewegungen im letzten Jahr verloren hat, Nationalismus zu mobilisieren und erkämpfte Freiheiten zu kassieren.

Die ost-timoresische Befreiungsbewegung hat voll auf die UN gesetzt und bis zuletzt ihre Mitglieder und Anhänger zum Stillhalten gegenüber den Milizen verpflichtet. Die Belos, Hortas und Gusmaos setzen das "Recht auf Selbstbestimmung" umstandslos mit dem Recht auf den eigenen Staat gleich. Die Mehrheit der ost-timoresischen Bevölkerung hat wahrlich jeden Grund, die indonesische Besatzung zum Teufel zu wünschen. Aber anstatt auf die eigene Kraft zu vertrauen und mit denen eine gemeinsame Perspektive zu suchen, die in Indonesien für Freiheit und gegen das Militär kämpfen, hat sie ihre Führer nach dem Über-Staat rufen lassen. Das Blutbad in Ost-Timor ist auch eine Niederlage für die revolutionäre Linke. Wir haben die Solidarität den NGOs und der katholischen Kirche überlassen, die das Leid in dieser Welt für ihre eigenen professionellen oder ideologischen Zwecke ausbeuten und kein Interesse an einer Befreiung der Menschen haben. Die kann nur gegen die herrschende Ordnung und gegen die Kirchen und NGOs, von den Menschen selbst erkämpft werden.

Daß sich die indonesische Regierung am Sonntag bereit erklärt hat, "Friedenstruppen" in Ost-Timor zu akzeptieren, sollte niemanden beruhigen. Die Krise ist noch nicht vorbei. Um in einem gerade "demokratisch" gewordenen Land wie Indonesien mittels Krise und Krieg für Ordnung sorgen zu können, sind größere Propagandaschlachten im Vorfeld zu schlagen. Alle, die militärisches Eingreifen verlangt haben, haben die Möglichkeit eines Krieges in Kauf genommen. Und sie sprechen UN, Nato & Co. das Recht zu, die Welt nach den Bedürfnissen von Arbeitszwang und Ausbeutung zu ordnen. Überall und mit allen Mitteln.

Die Gruppe Welt in Umwälzung ist Mitherausgeberin des Wildcat-Zirkulars.