Haiders Wahlerfolg

Final Countdown

Der Sieg war gut vorbereitet: Haiders Auftritte werden von einem Videoclip eingeleitet, der auf einer riesigen Leinwand hinter der Bühne erscheint. Zu den Fanfaren von Europes "Final Countdown" zeigt sich der Show-Mann beim Bungee-Jumping, auf einem Trecker, mit Kindern, im Parlament, in einer Talkshow - alles voll MTV-tauglich. Am Ende geht der Clip in die Realität über: Nach einem nächsten schnellen Schnitt ist man plötzlich hinter der Bühne, sieht Haider heraufkommen und hinter sein Pult treten. Dann die Rede: Eindeutig rechtsradikale Inhalte verpackt er nur in ein paar Sprüche, seine Worte wirken relativ moderat. Im Vordergrund stehen soziale Forderungen.

Haider nimmt alle mit, von der Jugendlichen bis zur Oma, vom Unternehmer bis zum Förster. Etwa beim Kinderscheck, seinem Plan, jeder Mutter in dem ersten Jahr nach der Geburt monatlich 5600 Schilling zu überweisen. Erst wehrt er sich gegen Vorwürfe, er wolle Frauen damit in den Haushalt zurücktreiben. Will er gar nicht: "Die Frau hat die Wahl", allerdings kenne er keine, die lieber arbeiten gehe, als bei ihrem Kind zu sein. Natürlich, so ergänzt er, können nur österreichische Familien dieses Geld bekommen. Ausländer nicht. Egal wie nach der Wahl mit dem Scheck umgegangen wird, Haider kann nur gewinnen. Wird es so gemacht, wie von ihm geplant, dann wurde seine Idee umgesetzt. Wird die Mutter-Hilfe in einer abgeschwächten Form eingeführt, kann Haider darauf verweisen, dass nur er seine Ideen auch konsequent umsetze. Passiert nichts, sind Korruption und Vetternwirtschaft schuld. So treibt Haider die politische Klasse vor sich her.

Und die spielt das Spiel mit: Man werde in Zukunft "die Ängste der Bevölkerung ernster nehmen", versprach Österreichs sozialdemokratische Innenminister Karl Schlögl nach den schweren Verlusten seiner Partei. Aus dem Munde Schlögls erfüllt das den Straftatbestand einer gefährlichen Drohung. Er ist es schließlich, der schon bisher die Ängste der Bevölkerung sehr ernst genommen hat. Anfang Mai etwa, als der Nigerianer Marcus Omofuma auf dem Abschiebeflug starb, weil zwei Beamte ihn derart knebelten, dass er keine Luft mehr bekam.

Unschuldig daherlächelnd versteht Schlögl die Parolen der FPÖ als Aufforderung zum Handeln. So auch Anfang Juni, als die Haider-Partei in der Kronenzeitung den Spruch "Machtlos gegen 1 000 Nigerianer" inserierte. Wenige Tage später setzte die Wiener Polizei zum großen Befreiungsschlag an und verhaftete einige vermeintlich mit Drogen handelnde Nigerianer. Der Chef der angeblichen Dealerbande entpuppte sich später als ziemlich harmloser Musiker.

Die Sorge vor einem Bundeskanzler Haider also ist vollkommen unnötig. Österreich braucht keinen Kanzler Haider, sitzt dieser doch längst in Person Schlögls und anderer sozialdemokratischer Chefs auf der Regierungsbank. Schon seit Jahren zieht Haider die SPÖ nach rechts. Als die FPÖ vor wenigen Wochen Wien mit Sprüchen wie "Stopp der Überfremdung" zupflasterten ließ, reagierte die SPÖ-Spitze schizophren: Einerseits bezeichnete Bundeskanzler Viktor Klima die Plakate als "menschenverachtend", gleichzeitig beeilte sich Schlögl, Entwarnung zu geben: Die Netto-Zuwanderung sei ohnehin auf Null geschrumpft.

Gerade dieses Wechselspiel zwischen Ausgrenzung und Realisierung von Haiders Politik macht die Stromlinienförmigkeit der Sozialdemokraten erst richtig gefährlich. Auch der Bevölkerung dürfte nicht entgangen sein, wie sehr Haider die Regierungspolitik diktiert, obwohl es andererseits nicht an Willensbekundungen mangelt, sich von der FPÖ abzugrenzen. Und so entschieden sich 47 Prozent der wählenden Arbeiter und Arbeiterinnen gleich für das Original, für die "Protestpartei". Irgendwo zwischen Ausgrenzung und Realisierung der FPÖ-Politik liegt der Grund für die schwere Niederlage der Sozialdemokraten. Haider selbst konnte jedenfalls nur gewinnen.