Doron Rabinovic

»Die Antisemiten kriechen aus ihren Löchern«

Kurz nach dem Sieg Haiders bei den Parlamentswahlen haben Sie davor gewarnt, dass eine Regierungsbeteiligung der FPÖ zu ernsthaften internationalen Verstimmungen führen könnte. Die sind inzwischen da - vor allem in Israel.

Die Kritik kommt nicht nur von da. Die internationalen Medien haben vorher weitaus schärfer berichtet. Es liege nun ein brauner Schatten über Europa, kommentierte beispielsweise France Soir. Das ist sicher härter als die Kritik des israelischen Außenministers Levy. Die Österreicher mit ihrer Medienlandschaft sollen doch nicht so tun, als würden sie jetzt für einen weltweiten Qualitätsjournalismus die Lanze brechen. Aber selbst in den niveauvolleren internationalen Zeitungen heißt es: Die FPÖ ist eine rechtsextreme Partei. Wenn dann diese Partei auch noch in Österreich agiert, ist die Assoziation zum Nationalsozialismus nicht mehr weit.

Aber es gibt doch noch Unterschiede zwischen der FPÖ und dem Nationalsozialismus.

Ich sage ja nicht, dass die FPÖ eine Nazi-Partei ist. Wenn aber etwa CBS einen Bericht über die FPÖ mit Bildern vom Einmarsch nationalsozialistischer Truppen in Österreich 1938 beginnt, so verstehe ich das. Wenn wir in Österreich etwas über starke Zuwächse für eine gefährliche japanische Partei hören würden, so würde das Fernsehen hier wahrscheinlich auch mit Kamikaze-Fliegern beginnen.

Immerhin ist die FPÖ eine Partei, die sich niemals von den Nazis abgegrenzt hat. Vertreter der FPÖ sind bei keiner Gedenk-Veranstaltung für die Opfer des Dritten Reiches zu finden, dafür sind sie bei jeder Veranstaltung für die Täter vertreten. Sie kann sich ja auch nicht abgrenzen - sie ist die Nachfolgeorganisation des Verbands der Unabhängigen, der nach dem Krieg die Alt-Nazis aufgenommen hat.

Der israelische Außenminister Levy hat sogar vorgeschlagen, die FPÖ zu verbieten.

Das ist natürlich vollkommener Nonsens. Man kann die FPÖ nicht verbieten, und Levy hat keine Ahnung von den österreichischen Verhältnissen. Aber Israel soll ruhig die diplomatischen Beziehungen zu Österreich überdenken. Das hat man während der Waldheim-Ära auch gemacht. Das wird ja wohl bei Haider ebenso möglich sein.

Wird ÖVP-Chef und Außenminister Schüssel sich von den Warnungen Levys beeinflussen lassen?

Es ist historisch bewiesen, dass das Bürgertum kein Rückgrat hat. In Österreich haben sich die Bürgerlichen schon 1934 mit den Nazis arrangiert und haben 1938 die Transformation im Nazi-Deutschland gut überstanden. Vielleicht ist die ÖVP aber nicht im Stande, mit Haider eine Koalition zu bilden. Nicht unbedingt wegen der aktuellen Kritik. Aber das Ausland - und nicht nur Israel - werden erst richtig scharf reagieren, wenn es diese Koalition geben sollte. Der internationale Ekel wird dann wesentlich größer sein, als die Bereitschaft zu erkennen, dass Haider noch nicht über eine Mehrheit verfügt.

Außerdem muss man damit rechnen, dass sich Haider und die FPÖ immer wieder selbst ein Bein stellen. Was Haider jetzt schon über Israel sagt, ist skandalös: "Viele Leute verstehen jetzt, warum es Antisemitismus gibt."

Eine jüdische Delegation will nach Österreich kommen, um ausreisewillige Juden zu beraten. Sind das die richtigen Signale?

Die zionistischen Organisationen sind aus Prinzip dafür, dass alle Juden nach Israel kommen. Aber ich gebe zu bedenken: Unsere Bereitschaft, in Österreich zu bleiben, wird immer geringer. Das ist doch logisch. Ich glaube nicht, dass ich schon gehen möchte. Aber es gibt Menschen, die nicht wollen, dass ihre Kinder in diesem Land aufwachsen. Ich merke als Jude in dieser Stadt in letzter Zeit täglich, wie die Antisemiten aus ihren Löchern kriechen. Und die jetzige Regierung findet keine klaren Worte dazu.

Bundeskanzler Klima und der Grünen-Chef Van der Bellen wollen nun eine Image-Tour durch Europa starten.

Ich frage mich, warum die nicht gleich gemeinsam mit Haider gefahren sind. Das hätte eine Menge Reisekosten, Sicherheitsvorkehrungen und Organisationsaufwand gespart. Die könnten dann auch zusammen Pressekonferenzen in den wichtigsten europäischen Städten abhalten.

Die Äußerungen von Klima und Van der Bellen, dass Österreich kein Nazi-Land sei, sind natürlich völliger Blödsinn. Das hat niemand behauptet. Dann appellieren beide immer wieder, es gebe auch ein "anderes Österreich". Damit wird Haider staatstragend. "Anderes Österreich" - das klingt nach Widerstand, als wenn Haider schon gewonnen hätte. Aber noch gibt es keine Mehrheit für Haider, 73 Prozent der Wahlberechtigten haben ihn nicht gewählt.

Was wird passieren, wenn die ÖVP tatsächlich eine Koalition mit der FPÖ eingeht?

Obwohl in der ÖVP die weltläufigen Politiker nicht unbedingt in der Mehrheit sind und Schüssel sich als Außenminister spätestens seit dem letzten Sommer und seinen ordinären Äußerungen disqualifiziert hat, werden die sich natürlich das internationale Echo genau überlegen müssen. (Schüssel bezeichnete angeblich u.a. den deutschen Bundesbankpräsidenten Hans Tietmeyer als "Alte Sau" und den weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko als "Knoblauchfresser"; Anm. d. Red.) Und das wird grauenhaft sein. Levy war nur ein Vorbote und insofern nicht sehr diplomatisch. Aber die USA und wichtige Handelspartner werden Österreich abhanden kommen. Dieses Land sollte Angst haben vor Haider.