Rechtsruck bei britischen Tories

Die Insel legt ab

Innerlich zutiefst zerstritten, programmatisch von Labour ausgestochen, selbst bei den eigenen Wählern im Ruf der Inkompetenz stehend: Großbritanniens Konservative befinden sich an einem Tiefpunkt ihrer Geschichte. In Umfragen erhalten sie nur noch ein rundes Viertel der Stimmen.

Die Rettung soll eine "Revolution des Common Sense bringen, die Parteichef William Hague vergangene Woche auf dem Tory-Parteitag im nordwestenglischen Blackpool ausrief. Mit zunächst fünf "Garantien" - weitere sollen später verkündet werden - versucht sich der uncharismatische Parteiführer mit der glänzenden Glatze an einer Neudefinition konservativer Politik.

Sehr viel Neues ist allerdings nicht dabei: Die Schulen, der öffentliche Gesundheitssektor und die Arbeitsämter sollen einem radikalen Privatisierungskurs unterworfen werden, die Steuern gesenkt werden (was auch Finanzexperten der gewiss nicht linkslastigen Financial Times für unmöglich halten), Arbeitslose sollen bereits dann jeglichen Anspruch auf staatliche Unterstützung verlieren, wenn sie einmal einen angebotenen Job ablehnen: Im Großen und Ganzen eine Radikalisierung von Tony Blairs New-Labour-Politik, der man angesichts der aktuellen Bedeutungslosigkeit der Tories wenig Beachtung schenken müsste.

Wäre da nicht Punkt fünf: Nummer fünf, das ist die "Sterling-Garantie". Damit verpflichtet sich der konservative Parteichef, "gegen den Beitritt zur Europäischen Einheitswährung anzukämpfen" - zumindest für die nächste fünfjährige Legislaturperiode, am liebsten aber auf Dauer.

In seiner Ansprache vor den Delegierten des Tory-Parteitages ging Hague noch weiter. Für den Fall seiner Wahl will er den Maastricht-Vertrag revidieren und damit de facto außer Kraft setzen: Jedes Mitgliedsland soll dann selbst entscheiden dürfen, welche EU-Bestimmungen es umsetzt.

"Folgt mir", rief Hague pathetisch aus, "und ich werde euch euer Land zurückgeben." Nach einhelliger Meinung fast sämtlicher Kommentatoren war es der deutlichste Angriff auf die Europäische Union, den sich jemals ein konservativer Parteiführer geleistet hat - und das schließt Margaret Thatcher ein.

Die zur Baroness geadelte Mrs. Thatcher ist nun zur Strippenzieherin in einem Netzwerk hochrangiger Konservativer avanciert, dessen Mitglieder die Partei auf einen vollständigen Austritt aus der Europäischen Union einschwören wollen. Bis jetzt soll etwa ein Viertel der Tory-Delegierten zu dieser Strömung gehören.

Sollte Hague bei der Wahl in rund eineinhalb Jahren mit seiner rechtspopulistischen Linie Erfolg haben, könnten es schon bald mehr sein. Längst befinden sich konservative Euro-Befürworter wie die früheren Minister Michael Heseltine und Ian Taylor in der Defensive. "Das ist keine glaubwürdige Position für jemanden, der Premierminister werden will", attackierte Taylor den Parteichef.

Doch auf einen Premier Hague hoffen auch viele rechte Euro-Gegner nicht. Beobachter gehen vielmehr davon aus, dass Hague wegen der derzeitigen Chancenlosigkeit der Tories bei der nächsten Wahl verbrannt werden soll, um dann Platz zu machen für den eigentlichen Star der Partei, für Michael Portillo. Und der war es, der bislang bei den Konservativen für den radikalsten Anti-Euro-Kurs gestanden hat.