Gottesdienst statt Party

Die Paneuropa-Jugend Deutschland diskutiert in Bonn, um endlich zu einer "christlichen Wertegemeinschaft in ganz Europa" zu kommen.

Den Höhepunkt soll die Stimmung auf der Landesversammlung der Paneuropa-Jugend Bayern Anfang Juni bei einer "River-Boat-Party auf der Donau" erreicht haben. Von beinahe ausufernden Zuständen in Passau berichtet das Verbandsorgan Paneuropa Deutschland: "Angeheizt durch zwei DJs und heiße Rhythmen war die Stimmung auf dem Partyschiff 'Sissi' so gut, daß die Fahrt um eine Stunde verlängert wurde."

Keine River-Boat-Party wird es beim diesjährigen Bundeskongress der Paneuropa-Jugend Deutschland (PEJ) geben, der am kommenden Wochenende in Bonn stattfinden soll. Das Motto, so liest man im rechtskonservativen Theorie-Organ Critic-n, lautet: "Rückschau und Ausblick. Paneuropäische Visionen für das nächste Jahrtausend." Ziel: Eine gemeinsame Strategie für die Zukunft soll festgelegt werden.

Orientieren wird sich diese Strategie am Bamberger Programm, das sich die Mutter-Organisation der PEJ, die Paneuropa-Union Deutschland (PEU), im Juni 1996 gab. Die PEU, so ist darin zu lesen, erstrebt "ein souveränes Europa, das keiner fremden Macht untergeordnet ist" und "überall in der Welt für seine Interessen (...) eintritt". Im Prinzip verfolgt die PEU, die in zahlreichen europäischen Staaten mit aktiven Gruppen vertreten ist, diese Zielsetzung seit ihrer Gründung im Jahr 1923. "Paneuropa heißt ganz Europa", wiederholen ihre Mitglieder seither gebetsmühlenartig ihre Hauptforderung.

In den zwanziger und dreißiger Jahren ging es der Organisation vor allem darum, "ganz Europa" auf der Basis kapitalistischer Wirtschaft gegen den Sowjetkommunismus zu einigen, ohne sich auf den Nationalsozialismus einlassen zu müssen, der als unkalkulierbar angesehen wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg beinhaltete die Absicht, "ganz Europa" zu einigen, zugleich den Plan, die realsozialistischen Ökonomien in Osteuropa zu beseitigen. Heute meint "ganz Europa" die Herstellung eines abgeschotteten europäischen Binnenraums vom Atlantik bis zur Ukraine, der in der Lage ist, die globale Vorherrschaft zu erlangen und zu verteidigen.

"Die große Linie ist richtig", äußerte Otto von Habsburg, Präsident der Internationalen PEU, im letzten Jahr gegenüber der Jungen Freiheit, als er zum europäischen Einigungsprozess befragt wurde. Nicht nur die geplante EU-Erweiterung passt der PEU ins Konzept. Das vergangene Jahrzehnt hat mit der Zerlegung der Sowjetunion, der Tschechoslowakei und Jugoslawiens neue Staaten geschaffen, die eine Gemeinsamkeit haben: Sie sind aus separatistischen Bewegungen entstanden, die sich als Befreiungsbewegungen "fremd bestimmter Völker" begriffen. Die Abspaltung dieser Staaten hat die PEU - von Litauen bis zum Kosovo - unterstützt, in den achtziger Jahren sogar mit dem Aufbau von illegalen PEU-Untergrundgruppen im realsozialistisch regierten Osteuropa.

Mit der Entstehung neuer, sich ethnisch definierender Staaten ist Europa dem von der PEU anvisierten "geeinten Europa freier Menschen, Völker und Volksgruppen" ähnlicher geworden. Greifbarer ist inzwischen auch das europäische Volksgruppenrecht, das die PEU gerne in einer europäischen Grundrechte-Charta verankert sehen möchte. Während der PEU zugehörige Abgeordnete im Europaparlament, einer der wichtigsten Wirkungsstätten "paneuropäischer" Politik, Ende der siebziger Jahre für dieses Ziel noch belächelt wurden, zeichnen sich heute erste Erfolge ab.

Ein Volksgruppenrecht nach dem Geschmack der PEU hätte besonders für Polen und Tschechien schwerwiegende Folgen. In die EU sollten nur Staaten aufgenommen werden, die bestimmte "Bedingungen insbesondere auf dem Gebiet der Rechtsstaatlichkeit, des Menschen-, Volksgruppen- und Heimatrechts erfüllen", fordert die PEU Deutschland in ihrem Bamberger Programm. Gemeint sind vor allem das "Recht auf Heimat" und "Entschädigungen" für während und nach dem Zweiten Weltkrieg umgesiedelte StaatsbürgerInnen des deutschen Reiches.

Wichtigste Bündnispartner der PEU Deutschland sind die Vertriebenenverbände. Als Otto von Habsburg 1973 die Führung der internationalen PEU übernahm, begannen Mitglieder des Witikobundes mit der Neustrukturierung ihrer deutschen Sektion. Der BdV ist korporatives Mitglied der PEU, zahlreiche Kontakte bestehen vor allem zur Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL). Die Vertriebenen bilden die Massenbasis der PEU.

Der wohl wichtigste Verbindungsmann zwischen PEU und Vertriebenenverbänden ist Bernd Posselt, ein politischer Ziehsohn Otto von Habsburgs. Posselt ist Präsident der PEU Deutschland, stellvertretender Vorsitzender der SL und Vorsitzender der bayerischen Union der Vertriebenen (UdV). Ins Europa-Parlament wurde er auf der Landesliste der CSU gewählt, die eng mit dem stärksten PEU-Landesverband, dem bayerischen, zusammenarbeitet und zahlreichen PEU-FunktionärInnen zu einflussreichen politischen Positionen verholfen hat.

Posselt hat ein besonderes Verhältnis zur Organisationsjugend. Als Gründungsvorsitzender gehörte er zur ersten PEJ-Führungsriege, die unter der Anleitung von Habsburgs die Jugendorganisation aufbaute. Die Nachwuchsarbeit in der PEJ ist sehr effizient. Zwei Generationen von ehemaligen PEJ-Bundesvorständen sind inzwischen in wichtige Funktionen der deutschen und der internationalen PEU nachgerückt. Eine dritte Generation ist seit 1998 aktiv, allen voran der derzeitige PEJ-Bundesvorsitzende Thomas Demel. Der 27jährige Jurist, "Sudetendeutscher" der Bekenntnisgeneration, ist wie Posselt in der CSU aktiv, für die er den UdV-Bezirksverband Schwaben neu aufbaut.

Demel besitzt, worauf die PEU ebenfalls großen Wert legt: Als Mitglied der konfessionellen Würzburger Studentenverbindung Markomannia verfügt er über gute Kontakte zum katholischen Klerus. "Ganz Europa" soll "christliche Wertegemeinschaft" werden, heißt es im Bamberger Programm. Dazu bedürfe es der Formierung einer konservativen europäischen Identität, die in der Praxis durch den Ausbau der bewährten Zusammenarbeit mit dem katholischen Klerus - der immer noch über eine weltweit wohl einzigartige Infrastruktur verfügt - gewährleistet werden soll. Um diese Kooperation zu zeigen, feiern die TeilnehmerInnen von PEJ-Veranstaltungen gewöhnlich auch keine River-Boat-Partys, sondern Gottesdienste.