Heroin und Zwangsarbeit

Asienpfanne X: Die Auswirkungen der Asien-Krise schlagen in Myanmar erst heute voll durch.

Lange schien es, als sei die Asien-Krise beinahe spurlos an Myanmar, den früheren Burma, vorbeigegangen. Aus einfachem Grund: Wo es kein Geschirr gibt, kann auch keines zerschlagen werden. Keine Börse, keine konvertierbare Währung, relativ geringe ausländische Investitionen - als eines der zehn ärmsten Länder der Welt hatte Myanmar weniger zu verlieren als die benachbarten Tiger-Staaten. Doch erst jetzt offenbaren sich in Myanmar die Auswirkungen der Krise in ihrem ganzen Ausmaß.

Die Inflation liegt zur Zeit bei rund 50 Prozent, der Wert des Kyat fiel in den letzten Monaten rapide. Momentan kostet ein US-Dollar 390 Kyat - so viel wie noch nie. Dabei handelt es sich um den Marktpreis; offiziell beharrt die Militärjunta weiterhin auf einem Kurs von eins zu sechs. Ausländische Investitionen erreichten im Steuerjahr 1998/99 mit 29,45 Millionen US-Dollar den tiefsten Stand seit fünf Jahren. Und Direktinvestitionen aus Asean-Staaten, die noch bis März 1997 fast 50 Prozent aller ausländischen Investitionen ausmachten, gingen seit Ausbruch der Krise um 70 Prozent zurück. Mit den Devisen-Reserven des Landes lassen sich nach Aussage von Junta-Mitglied General David Abel gerade noch die in den nächsten zwei bis drei Monaten notwendigen Einfuhren bezahlen.

Diese Entwicklung ist für die Machthaber in Rangun eine herbe Enttäuschung. Schließlich haben sie bei ihrer Machtergreifung 1988 der jahrzehntelangen Selbstisolation Burmas ein Ende bereitet und seitdem eine Politik der wirtschaftlichen Öffnung und der Annäherung an den Asean betrieben, die 1997 in den Beitritt zu dem Staatenbund mündete. Das alles mit dem Ziel, endlich den Anschluss an die boomenden Nachbarn zu finden.

Großes Vorbild war dabei das Indonesien Suhartos, ein Land, das hinter der dünnen demokratischen Fassade fest in der Hand des Militärs war und trotzdem internationale Anerkennung und traumhafte Wachstumsraten hatte. Zunächst schien die Rechnung auch aufzugehen. Die Aussicht auf schnelles Geld lockte Anfang der neunziger Jahre zahlreiche ausländische Firmen ins Land, die vor allem in den Tourismus-Sektor und in die Ausbeutung Burmas reicher natürlicher Ressourcen - Teak, Edelsteine, Erdgas, Fischvorkommen etc. - investierten.

Doch mit dem Ausbruch der Asien-Krise zerplatzte das kleine Wirtschaftswunder wie eine Seifenblase. Halbfertige Hotelanlagen im Zentrum der Hauptstadt sind stumme Zeugen des schnellen Rückzugs der Investoren. Vor diesem Hintergrund erscheint es verständlich, dass die Militärregierung eine Rückkehr zur alten Isolationspolitik erwägt. Geflissentlich übersieht sie dabei jedoch, dass die Asien-Krise nur das gesamte Ausmaß der Misere im Land offenbart hat.

Als Burma 1948 von Großbritannien unabhängig wurde, hatte es die besten Voraussetzungen, um als souveräner Staat auch wirtschaftlich zu reüssieren. Neben dem immensen natürlichen Reichtum verfügte das Land über eine gute landwirtschaftliche Infrastruktur, die es zum größten Reisexporteur der Region machte. Weiteres Plus: das ausgezeichnete Bildungssystem. Bis 1962 ging es mit Burmas Wirtschaft unter der demokratischen Regierung von U Nu langsam aufwärts.

Dann kam der Militärputsch. General Ne Win übernahm die Macht und führte in den 26 Jahren seiner Herrschaft mit dem isolationistischen Burmese Way to Socialism das Land in den wirtschaftlichen Ruin. Kritiker dieser Politik wurden verfolgt, die zahlreichen Minderheiten militärisch unterdrückt.

1988 machten sich die jahrelange Repression und der ökonomische Druck in landesweiten friedlichen Demonstrationen für politische, wirtschaftliche und soziale Reformen Luft. Die Armee schlug die Proteste blutig nieder; Tausende von Menschen kamen dabei ums Leben. Ne Win trat zurück, und eine Militärjunta übernahm die Macht, die auch heute noch - mit einigen neuen Gesichtern in den unteren Rängen - das Land beherrscht. Die Ergebnisse der Wahlen von 1990, bei denen die Partei von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi einen Erdrutschsieg errang, erkennen die Generäle bis heute nicht an.

Die wirtschaftliche Öffnung Myanmar, die der Machtergreifung der Junta folgte, war aus der Not geboren. Denn die internationalen Gläubigerstaaten - von denen Deutschland und Japan die wichtigsten waren - stoppten die Kreditvergabe, nachdem die Massaker an unbewaffneten Zivilisten bekannt geworden waren.

Entsprechend desaströs fiel die Öffnung dann auch aus. Eines der berüchtigtsten Beispiele: Die Yadana-Gaspipeline, die Erdgas aus dem Golf von Martaban ins thailändische Ratchaburi führt. Für das Milliardenprojekt unter Federführung des französischen Total-Konzerns wurden ganze Dörfer zwangsweise umgesiedelt und Bewohner der Gegend zu Zwangsarbeit herangezogen. Viele Menschen mussten nach Thailand fliehen. Die Einnahmen aus dem Gasverkauf fließen ausschließlich in die Taschen der Militärregierung.

Für die große Mehrheit der Bevölkerung hat die wirtschaftliche Öffnung nichts gebracht. Im Gegenteil. Lebensstandard und Kaufkraft sind wegen der hohen Inflation in den letzten zehn Jahren weiter stark gesunken. Die in Hong Kong ansässige Asian Human Rights Commission warnt in ihrem gerade erschienenen Bericht "Voice of a Hungry Nation" gar vor einer Hungersnot im vormals als "Reisschüssel Asiens" bekannten Burma. Zwangsarbeit, die den Bauern Zeit und Gelegenheit nimmt, ihre Felder zu bestellen, Zwangsumsiedlung von Hunderttausenden von Menschen in oft unfruchtbare Gebiete und massive Umweltzerstörung zählen zu den Hauptursachen der Nahrungsmittelknappheit.

Wenig Erfreuliches offenbart auch ein Blick ins Gesundheits- und Erziehungswesen. Nach UN-Angaben gibt die Militärjunta für diese Bereiche zusammen 222 Prozent weniger aus als für Unterhalt und Aufrüstung der Streitkräfte. Entsprechend hoch ist die Rate der Menschen, die an vermeidbaren oder behandelbaren Leiden erkranken und sterben. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass von den rund 47 Millionen Einwohnern Burmas rund 500 000 HIV-infiziert sind - Tendenz: steigend, Gegenmaßnahmen: Fehlanzeige. Die Universitäten und Hochschulen des Landes sind aus Angst vor Studentenunruhen seit 1996 geschlossen. Insgesamt waren sie im Laufe der vergangenen elf Jahre nur zwei Jahre und acht Monate geöffnet. Fortschritt und Entwicklung sind einzig im Militärbereich zu beobachten. Mehr als 40 Prozent der Staatsausgaben fließen heute in Unterhalt und Aufrüstung der Streitkräfte.

Die Stärke der Armee ist seit 1988 von 180 000 auf fast 400 000 Mann angewachsen.

Auch in der Wirtschaft mischt die Armee kräftig mit. So ist die Union of Myanmar Economic Holdings Company (UMEH), die an fast allen Joint Ventures mit ausländischen Unternehmen beteiligt ist, direkt der Abteilung für Waffenankäufe des Verteidigungsministeriums unterstellt.

Dass Gelder aus dem Drogenhandel - Burma ist der weltweit größte Produzent und Exporteur von Heroin und Meta-Amphetaminen - in großem Umfang in die legale Wirtschaft einfließen, ist ein offenes Geheimnis. Die US-Botschaft in Rangun geht in ihrem Foreign Economic Trends Report davon aus, dass über die Hälfte der einheimischen Wirtschaft in Zusammenhang mit dem Heroinhandel steht.

Zudem hat das Militärregime durch seine Repressionspolitik den Anspruch auf internationale Finanzhilfen - etwa der Weltbank oder des IWF - verwirkt und sieht sich Wirtschaftssanktionen gegenüber. Ökonomischer Druck ist also da. Aber die Mischung aus Willkür, Korruption und Elend spielt den Machthabern in die Hände - noch.