Plappermäuler I

Kaum haben sich die rot-grünen Sicherheitspolitiker einen winzigen Schritt vorgewagt, da stehen die Unkenrufer auch schon bereit. "Die Strafverfolgungsbehörden sind auf die Kronzeugenregelung angewiesen", reagierte vergangene Woche der Hannoveraner Kriminologe Christian Pfeiffer auf die Ankündigung der Berliner Koalition, das umstrittene Gesetz zum Jahresende auslaufen zu lassen. Mit Blick auf eine Untersuchung des von ihm geleiteten Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen (KFN) kommt Pfeiffer zu dem Schluß, nur mit Hilfe der Kronzeugen ließen sich "die Frontsoldaten der Organisierten Kriminalität" (OK) zu einer Aussage motivieren. Dass die Regelung bislang gerade einmal in drei OK-Verfahren eingesetzt wurde, scheint den Wissenschaftler, der sich in letzter Zeit gerne als Empirie-Lieferant nach Wunsch stark macht, wenig zu stören. Auch Hans-Joachim Klein, derzeit wegen seiner Beteiligung am Anschlag auf die Opec-Konferenz in Wien 1975 in Untersuchungshaft, würde sich wohl eine Weiterführung des Kronzeugengesetzes wünschen. Nachdem das ehemalige Mitglied der Revolutionären Zellen (RZ) ausgiebig vor der Staatsanwaltschaft über seine Geschichte geplaudert hat, haben die Frankfurter Strafverfolger nun Anklage gegen den 51jährigen und den von ihm denunzierten Rudolf Schindler erhoben. Während der 56jährige Schindler, der bislang keine Aussagen macht, zum einst "führenden Kopf" der RZ avanciert, kann sich "Klein-Klein" nun freuen: Auch ohne Kronzeugenregelung verspricht das Gesetzbuch für seine "tätige Reue" gehörige Möglichkeiten der Strafmilderung.