Rechte Tasche, linke Tasche

Wer auch immer sie in Auftrag gibt, die Auswärtige Kulturpolitik soll den deutschen Einfluss im Ausland sichern: Jetzt muss sie auch noch sparen.

Früher war bekanntlich alles besser. Zehn Jahre nach dem Mauerfall wird das erst richtig sichtbar. Früher mussten die Ossis in ihrer national befreiten Antifa-Zone bleiben, früher stand mit West-Berlin ein nicht unbedeutender Teil Deutschlands unter alliierter Verwaltung, früher gab es an der Westbindung der Bundesrepublik kaum Zweifel, früher war mit Helmut Kohl noch jemand Regierungschef, der meistens wusste, dass er auf der internationalen Ebene manchmal einfach die Klappe zu halten hatte.

Aber das ist Vergangenheit. Denn nun regieren die guten Deutschen, die, mit einem guten Gewissen in der linken und dem nationalen Selbstbewusstsein in der rechten Tasche, sich immer dann zu Wort melden, wenn es ihnen gerade passt. Die Juden sollten mit ein bisschen Geld endlich Zwangsarbeit und Massenmord vergessen, Deutschland ist trotz der beiden Weltkriege - und gerade weil es aus der Geschichte gelernt hat - ganz normal und braucht unbedingt einen ständigen Sitz im Sicherheitsheitsrat der Uno und andere einflussreiche Posten: beim Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank beispielsweise. Weltpolitik funktioniert aber nicht wie beim Weihnachtsmann, wo man seinen Wunschzettel abgibt, Folgsamkeit versichert und schon die Geschenke bekommt . Es gibt andere Möglichkeiten, sich im so genannten internationalen Kräftefeld zu positionieren: durch Wirtschaftsbeziehungen, durch Diplomatie und durch auswärtige Kulturpolitik.

Der diplomatische Weg ist dabei oft zu direkt. Durch die Hallstein-Doktrin und die Nicht-Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze beispielsweise war die revanchistische Absicht der deutschen Außenpolitik nicht zu übersehen. Subtileres Vorgehen dagegen verspricht oft den größeren Erfolg: Mit den Ost-Verträgen in der linken und dem Anspruch auf die Unteilbarkeit Deutschlands in der rechten Tasche setzte Willy Brandt offensiv auf die auswärtige Kulturpolitik und damit auf eine weiche Variante der Adenauerschen Doktrinen: Die ganze Welt sollte erfahren, dass die "BR Deutschland", "Mitteldeutschland (die so genannte Deutsche Demokratische Republik)" und die deutschen "Ostgebiete unter polnischer und sowjetischer Verwaltung" kulturell weiterhin zusammengehörten. In den Goethe-Instituten, den Auslandsschulen und den Außenposten der deutschen Parteienstiftungen wurde neben der deutschen Sprache auch immer diese Botschaft gelehrt.

Die CDU und die Vertriebenen halten und hielten es genauso: Mit dem formalen Verzicht auf die Rückeroberung "deutscher Ostgebiete" in der linken und ihrer völkisch-deutschtümelnden Politik in der rechten Tasche, verbreiten sie das Bild von den bedauernswerten deutschen Minderheiten in osteuropäischen Staaten. Das Mittel dazu: auswärtige Kulturpolitik, die Verleihung eines "Kulturpreises Schlesien" beispielsweise oder die Förderung deutscher Schulen im russischen Ostpreußen.

Der Schwerpunkt von Rot-Grün aber ist ein anderer, ohne dass man deshalb die "Deutschen" jenseits der Grenzen vernachlässigt.Die Positionierung als neue Weltmacht spiegelt sich in Diplomatie und auswärtiger Kulturpolitik wider: Es wird ein "europäisches Wertesystem" betont, überwiegend in Abgrenzung zu den USA. Von der neu entdeckten Bedeutung der Bundesrepublik sollen ja alle etwas mitbekommen: Gefördert durch EU- und Bundesmittel werden solche deutschen Großmachtsvorstellungen in Ost- und Westeuropa unter dem Label eines bi- oder multilateralen "kulturellen Austausches" propagiert.

Da Finanzminister Hans Eichel aber auch in diesem Bereich Einsparungen verlangt, müssen jetzt deutliche Akzente gesetzt werden. Der EU-interne Austausch bleibt nahezu unangetastet, gekürzt wird in allen möglichen anderen Regionen. Auch die Deutsche Welle - Deutschlands staatlich unterhaltene Radio- und Fernsehstimme auf der ganzen Welt - muss zwar sparen, das Engagement in Südosteuropa wird aber ausdrücklich aufrecht erhalten. Hier will man schließlich den Einfluss ausbauen. Im Gegensatz zu Afrika beispielsweise: Die Botschaften in Burundi, Tschad, Sierra Leone und Niger werden vom Auswärtigen Amt aus Kostengründen geschlossen.

Beschäftigt sich die FDP mit diesen Plänen, dann klingt das so: "Haushaltssanierung zu Lasten der Rolle Deutschlands in der Welt?" Dabei hat die Partei der Besserverdienenden gar nichts gegen das Sparen an sich, wie ihr außenpolitischer Sprecher im Bundestag, Ulrich Irmer, beteuert: "Wir wollen nicht jammern, das tun die meisten Deutschen schon genug". Aber bei den internationalen Beziehungen wollen die Liberalen eine andere Gewichtung: Nicht für das Bild vom guten Deutschland müsse im Ausland geworben werden, sondern für Importe aus deutschen Landen.

Mit der Distanz zum geforderten weltpolitischen Einfluss Deutschlands in der linken und dem Primat der Ökonomie in der rechten Tasche soll also die Wirtschaft statt der Diplomatie und der Kulturpolitik Deutschlands internationale Stellung bestimmen - jenseits von Wert- und Kontinentalgrenzen. "Germano-zentriert sind wir sowieso, da müssen wir uns nicht auch noch auf Europa beschränken", erläutert das beispielsweise Ulrich Irmer. Vertreter der Wirtschaft und Finanzexperten finden das ebenso. Den Blick auf Afrika, Lateinamerika und Asien gerichtet, heißt die Devise mit den Worten von Philipp Graf von Walderdorf: "Märkte erobern und ausbauen".

Auswärtige Kulturpolitik spielt bei diesen Konzeptionen eine eher geringe Rolle. Sie ist nützlich, wenn es um die Ausbildung deutschsprachigen Fachpersonals geht oder um die Garantie sogenannter politischer Stabilität (die zwar durchaus europäisch, genausogut aber auch konfuzianisch, stammes-traditionalistisch oder militaristisch definiert sein kann). Und deswegen müssten auch die Außenbeziehungen wirtschaftsfreundlich neu formiert - und damit Geld gespart - werden: In den EU-Ländern solle der diplomatische Dienst kräftig reduziert werden, fordern die Vertreter der Ökonomie, denn dort hat die deutsche Wirtschaft ihre Ziele ohnehin schon erreicht. In anderen Ländern gehe es darum, die Vertretungen auszubauen, am besten in Koordination mit den Außenhandelskammern - denn die "arbeiten wesentlich effektiver als die Diplomaten". Zumindest nach Ansicht des Grafen von Walderdorf als Vertreter des Deutschen Industrie- und Handelstages, der im Gegensatz zur FDP wenigstens begriffen hat, dass die Zukunft des Wirtschaftsliberalismus nicht in einer Partei, sondern im Lobbyismus zu suchen ist.

Das klingt zwar berechenbarer als der rot-grüne Weltmachtkurs. Die Trennung von ökonomischer Expansion und dem gewaltsamen Export deutscher Wertvorstellungen wäre jedoch eine Neuheit.