Keltenkreuze und Maradona-Böller

Die italienische Fußball-Fanszene wird verstärkt von Neonazis umworben. Nach zwei Bombenanschlägen in Rom protestierten jetzt erstmals die Spieler gegen die rechtsextreme Gewalt.

Die bisher unbekannte rechtsextremistische Antizionistische Bewegung verübte Ende November in Rom zwei Bombenanschläge. Ziel des ersten Attentates am 22. November war das seit 1955 bestehende Museum des Befreiungskampfes, das in der Via Tasso liegt. Ein mit hundert Gramm Schwarzpulver gefüllter Sprengkörper zerstörte Teile des Eingangsbereichs des Gebäudes. Das Museum, das die Zeit der Besetzung Roms durch deutsche Truppen dokumentiert, befindet sich in dem Gebäude, in dem damals zeitweise auch Herbert Kappler und Erich Priebke amtiert hatten.

Das Haus war immer wieder ein Angriffsziel für Nazis gewesen: 1994 tauchten z.B. in unmittelbarer Nähe Graffiti wie »Partisanen = Mörder« oder »Juden Kaputt« auf, und zum Jahrestag der Befreiung am 25. April legten Unbekannte eine gehenkte Partisanenpuppe in der Nähe ab. Der jüngste Angriff auf das Museum wurde diesmal von allen großen Parteien verurteilt. Am Abend nach der Explosion besuchte Regierungschef Massimo D'Alema die Via Tasso, und selbst Gianfranco Fini von der postfaschistischen Alleanza Nazionale sah sich zur Distanzierung genötigt: »Das Attentat verletzt das staatsbürgerliche Gewissen und die historische Erinnerung eines jeden Italieners.«

Drei Tage später, am 26. November, wurde mitten im Regierungsviertel, also in dem Teil der italienischen Hauptstadt mit der höchsten Polizeidichte, vor dem Kino Nuovo Olimpia eine zweite Bombe ähnlicher Bauart gefunden. Die Zündung war wegen der dilettantischen Bastelarbeit fehlgeschlagen. Der Ort der geplanten Explosion war bewusst gewählt, da die Vereinigung »Kinder der Shoah« am selben Tag die Vorführung des Dokumentarfilms über den Eichmann-Prozess »Der Spezialist« in dem Kino organisiert hatte. Diesmal bekannten sich gleich mehrere Anrufer im Namen der Antizionistischen Bewegung zu der Tat.

Noch am selben Abend führte die polizeiliche Spezialeinheit Digos Hausdurchsuchungen bei bekannten außerparlamentarischen Rechtsextremen durch. Außer ein paar Gramm Hasch und zwei Projektilen wurde aber nichts gefunden. Trotz des ausbleibenden Erfolges waren die Ermittler zuversichtlich, die Antizionistische Bewegung in den folgenden Tagen auszuheben. Die Untersuchungen konzentrierten sich auf Personen aus dem Dunstkreis organisierter römischer Fußballfans. Denn beide Bomben hatten große Ähnlichkeit mit den von radikalen Hools verwendeten so genannten Maradona-Böllern, die aber auch die extreme Rechte zur Einschüchterung ihrer Gegner einsetzt.

Riccardo Pacifici, der ehemalige Vizepräsident der Jüdischen Gemeinde zu Rom, wies außerdem darauf hin, dass der Rechtsextremist Maurizio Bocacci den Begriff »antizionistisch« bereits 1991 für seine Bewegung verwendet hatte. Dessen Organisation, die vorwiegend Fans von Lazio und dem AS rekrutierte, wurde 1993 nach Angriffen auf Juden verboten, Bocacci sitzt derzeit wegen Teilnahme an den schweren Krawallen beim Spiel Brescia - Roma 1994 für einige Jahre im Gefängnis.

Nach dem Verbot entstanden andere Gruppen, wie die Forza Nuova (Neue Kraft), die mittlerweile zu den größten rechtsradikalen Vereinigungen Italiens gehört. Nach Digos-Informationen besuchen die beiden Führungskader der FN, Roberto Fiore und Massimo Morsello - die jahrelang in London gelebt hatten, weil die italienische Justiz sie wegen verschiedener Bombenanschläge in den Achtzigern belangen wollte -, nun wieder das Olympiastadion. Seither ist die Zahl der rechtsextremen Fans deutlich angestiegen. Für die es nicht nur das Stadion als Treffpunkt gab: Bis zur Räumung im September dieses Jahres existierte in Rom das einzige bekannte centro sociale der extremen Rechten in Italien. Die PortAperta (Offene Tür) war über viele Monate Versammlungsort von Anhängern der Forza Nuova, Alleanza Nazionale und anderen Gruppierungen.

Und natürlich war das Zentrum Ausgangspunkt gewalttätiger Aktionen, an denen sich immer wieder auch Fans der lokalen Vereine beteiligten. Die aufsehenerregendste Attacke erfolgte am letzten 1. Mai, als etwa 50 Militante auf die Zuhörer beim traditionellen Gewerkschaftskonzert einprügelten. Trotzdem wurde beiden Gruppen die Erlaubnis zu einer Demonstration am 28. Oktober dieses Jahres erteilt. An der Gedenkveranstaltung für den Marsch der Faschisten auf Rom im Jahr 1922 nahmen auch Fußballfans teil, die der Digos aus dem Olympiastadion in Rom bekannt sind.

Aber es sind auch noch andere Gruppen mit eindeutig faschistischer Orientierung in den römischen Fankurven anzutreffen. Z.B. die Lazio-Hools »Irreducibili« (Die Unbeugsamen), die schon seit langem Fahnen mit Keltenkreuzen präsentieren. Andere Fans bevorzugen Hakenkreuz- oder SS-Fahnen, tragen Transparente mit antisemitischen und rassistischen Parolen oder Mussolini-Zitaten und zeigen den faschistischen Gruß. Beim römischen Derby im November 1998 wurde in der Lazio-Kurve gerufen: »Auschwitz ist eure Heimat, die Öfen sind eure Häuser!«

Bis zu den jüngsten Anschlägen äußerte sich die öffentliche Empörung über die wachsende Präsenz von Nazis in den Stadien vor allem in der Forderung nach Spielunterbrechungen oder der Bestrafung der Clubs mit Öffentlichkeitsausschluss, wenn rassistische oder antisemitische Symbole und Spruchbänder gezeigt werden. Nun hat man aber auch konkrete Maßnahmen gegen Rassismus und Antisemitismus in den italienischen Stadien ergriffen. Eine Bußgeld-Bestimmung für das Zeigen von Hakenkreuzen wurde eingeführt: Jedes gezeigte Nazi-Symbol kostet den entsprechenden Verein umgerechnet 10 000 Mark. Die Kontrollen vor den Spielen wurden verstärkt, und um auch Besucherinnen ausreichend kontrollieren zu können, ist der Einsatz von Polizistinnen geplant. Abschreckend wirkte das jedoch wohl noch nicht: Vor dem Spieltag am 28. November führten Carabinieri und Kriminalpolizei bei bekannten römischen Hools Hausdurchsuchungen durch, neben einigen Kilo Hasch und Kokain wurden auch Waffen und scharfe Munition beschlagnahmt, mehrere Personen wurden festgenommen.

Die Spieler von Lazio und Juventus Turin betraten am Spieltag den Platz mit weißen T-Shirts, auf denen »Nein zu Antisemitismus, Gewalt, Rassismus« stand. So wie im Olympiastadion in Rom verlasen auch an allen anderen Spielorten der ersten Liga erstmals die Kapitäne der Teams vor Spielbeginn ein kurzes Statement, in dem sie sich gegen die rechtsextreme Gewalt, nicht nur in den Stadien, aussprachen.

Ende vergangener Woche gab die Digos bekannt, dass ein Fußballfan als Verantwortlicher des fehlgeschlagenen Attentats auf das Kino ermittelt worden sei. Unklar ist noch immer, ob beide Anschläge auf das Konto ein und derselben Person(engruppe) gehen. Die wesentlich professionellere Vorgehensweise der Täter in der Via Tasso lässt vermuten, dass die zweite Tat von Trittbrettfahrern verübt wurde. Beide Bomben, so die Polizei, seien jedoch so konstruiert gewesen, dass ein Personenschaden wenig wahrscheinlich gewesen wäre, den Tätern sei es vor allem um die öffentliche Aufmerksamkeit gegangen.