Adtranz schließt Werke in der Schweiz

Nationale Präferenzen

Kalt pfeift der globale Wind durch das einst so gemütliche Alpenland, seit der Wettkampf der Standorte auch die Schweiz erwischt hat. Im November gab der internationale Bahntechnik-Konzern Adtranz bekannt, dass er seine Schweizer Werke in Zürich-Oerlikon und in Pratteln im Kanton Basel-Land nicht mehr weiterführen wolle.

Insgesamt 710 Stellen sind nun von den Schließungen bedroht. Entsprechend heftig waren die Reaktionen. Den Massendemonstrationen schloss sich in Pratteln fast die gesamte Kantonsregierung an. Das Vorgehen der Unternehmensführung sei übelster »Wildwest-Kapitalismus«, kritisierten Politiker. Zustimmung zu den Protesten kam selbst von Arbeitgeberseite. Die Schweizerischen Bundesbahnen wurden dazu aufgefordert, keine Züge mehr bei der Adtranz zu kaufen.

Wenn es um den Standort Schweiz geht, ist man sich einig. Denn die Schließungen der Adtranz-Werke in der Schweiz werden hier vor allem auf die nationalen Präferenzen der deutschen Firmenleitung zurückgeführt. Die Neue Zürcher Zeitung kritisiert, dass die »Adtranz profitable Schweizer Betriebe schliessen und statt dessen sanierungsbedürftige deutsche ausbauen will« und vermutet, das deutsche Management habe »hier eher national denn global agiert«. Tatsächlich hatte noch Karre Vagner, der dänische Vorgänger des jetzigen Konzernchefs versucht, die defizitären deutschen Werke zu sanieren und war dabei auf erbitterten Widerstand gestoßen.

Doch Entlassungen sind nicht nur in der Schweiz zu erwarten. Seit der Gründung von Adtranz 1996 durch die Zusammenlegung der Bahntechnik-Aktivitäten von ABB und DaimlerChrysler hat der Konzern hohe Verluste. Die Überkapazitäten in der Branche haben viele Gründe: Rasante Produktionsfortschritte gehören ebenso dazu wie ein erhöhter Wettbewerbsdruck durch Liberalisierungen. Staatliche Verkehrsbetriebe leiden zunehmend unter Finanzproblemen, während private Träger sich mit hohen Investitionen zurückhalten.

Adtranz-Chef Rolf Eckrodt will dem nun mit drastischen Kürzungen entgegentreten. In einem Restrukturierungsprogramm sollen neben den Werken in der Schweiz auch Standorte in den USA, Norwegen, Portugal und Deutschland stillgelegt werden. Insgesamt 3 000 Stellenkürzungen sind geplant.

Entlassen wird international, protestiert dagegen national. Wie in der Schweiz kam es auch in Nürnberg zu massiven Protesten, als die Pläne der Konzernleitung bekannt wurden. Die zum Teil 150 Jahre alten Nürnberger Produktionsstätten sollen komplett dicht gemacht werden: Alle 850 Beschäftigten würden dann ihre Arbeit verlieren. Mit zeitweiligen Streiks, Demonstrationen und einer Lichterkette sollte der eigene Standort verteidigt werden: »Hände weg von Nürnberg!« Dass auch in anderen Ländern Entlassungen bei Adtranz bevorstehen, ist zweitrangig. Von Solidarität ist wenig zu spüren. Zwar will der Europäische Betriebsrat eine gemeinsame Strategie festlegen. Doch »jedem liegt das eigene Portemonnaie am nächsten«, wie der Schweizer Betriebsrat Peter Goetz resigniert gegenüber der Schweizer Wochenzeitung bilanzierte. Die Chancen, effektiv gegen einen internationalen Konzern vorzugehen, der die Standorte gegeneinander ausspielt, seien sehr gering.