Alternative Lebensformen

Fugmann a.D.

Was macht ein Finanzminister a.D.? Er schreibt mehr oder weniger erhellende Bücher, strickt Socken für seinen Sohn und gießt sich einen guten Wein ein. Was aber macht eine gefeuerte Finanzsenatorin? Sie weint. Wie böse und ungerecht die Politik im Allgemeinen und ihre Partei im Besonderen ist - die Berliner SPD, die schon ganz andere abserviert hat. Walter Momper zum Beispiel.

Ja, Annette Fugmann-Heesing, hatte es schwer, aber sie hat ihrer Partei zum Abschied noch einmal die Wahrheit gesagt: Erst habe man sie geholt, und jetzt »ex und hopp»? Einfach so? So, als wäre Heesing, die Hessin, nicht extra geholt worden, die Hauptstadt zu retten? Fraktionschef Klaus Böger muss innerlich gezittert haben, als seine Annette auf dem letzten Parteitag vom Podium flehte: »Klaus, du hast mich geholt, weil Berlin finanziell vor die Wand zu fahren drohte, und jetzt?« Da wurde der Klaus, Annettes Mentor, ganz steif - das konnte man sogar im Fernsehen sehen. Aber was hat er gedacht, der kaltschnäuzige Schurke? Dachte er, der künftige Schulsenator, an den Deutsch-Unterricht: Wie erkläre ich einer Klasse mit 70 Prozent Türken, dass eine Stadt nicht vor die Wand fahren kann - nicht mal bei Tempo 100 auf der Avus? Und dass es viel besser, weil dramatischer, geklungen hätte, hätte Annette gesagt, Berlin drohe vor die Mauer zu fahren. Mit Vollgas!

Oder hat der Böger gedacht: Wie kann die nur so blöd sein, dass sie es immer noch nicht gemerkt hat? Dass die Partei immer Recht hat, und vor allem am längeren Hebel sitzt? Dass keiner mehr was von ihr wissen will - weder in der Stadt noch in der Partei, und dass alle Huldigungen, die ihr zuteil werden, Etikette sind, vergleichbar mit jenen, mit denen man Verstorbene überschüttet: ein Haufen Lob und eine Handvoll Erde?

Wie musste er enttäuscht sein, der Böger, dass seine Annette klug genug war, die meisten öffentlichen Unternehmen meistbietend und ohne Rücksicht auf Verluste zu verscherbeln, aber jetzt unfähig, alles zu durchschauen und endlich abzuhauen. Stattdessen ging sie ihm mit larmoyanten Platitüden auf den Keks: »Zukunft braucht Mut, wo ist unser Mut geblieben?« Und das mit jener unangenehmen, betont leisen, pastoralen Stimme, die noch den Pennern auf der Straße erklärt, alles werde besser, wenn sie nur endlich anfangen würden zu sparen.

Unser Mut? Was für eine Frage! Ja, war sie nicht mutig, die SPD? Mutig, geschickt und dermaßen abgezockt, dass Machiavelli seine helle Freude gehabt hätte. Drei Fliegen mit einer Klappe: Statt uns selber die Finger schmutzig zu machen, mag Böger denken, haben wir die bösen Kollegen von der CDU vorgeschickt, auf dass diese die Finanzsenatorin beiseite bringen. Sind den Scheiß, jede Gemeinheit als »Zukunft« verkaufen zu müssen, los, haben jetzt statt einer verhassten Finanzsenatorin einen netten Super-Senator für Bauen, Verkehr, Umwelt und Stadtentwicklung, weil die CDU uns genau vor diese Wahl gestellt hat. Haben sogar Chancen bei der nächsten Wahl, weil wir mit einem gemütlichen Bauchträger statt einer verkniffenen Sparlady antreten.

Fugmann hat ihre Schuldigkeit getan, sie kann gehen. Bis zum Regierungsumzug musste gespart werden; jetzt aber sollen die Bonner löhnen, wenn Berliner Bullen für sie die Demonstranten wegprügeln oder Sozialarbeiter dafür sorgen, dass Junkies aus der Innenstadt verschwinden. Und schließlich ist den Sozis spätestens seit Holzmann klar, dass man eingespartes Geld nicht essen kann.