Kein Anschluss unter dieser Nummer

Die Eta spaltet die spanische Regierung und die baskischen Nationalisten.

In einer Sache sind sich alle spanischen Parteien einig: Die Eta darf nicht wieder zu den Waffen greifen. Nachdem die baskische Separatistenorganisation den einseitigen Waffenstillstand am 3. Dezember aufgehoben hat, geht in Spanien wieder die Angst vor neuen blutigen Attentaten um. Vor allem im Baskenland und in der Hauptstadt Madrid wurden die Sicherheitsvorkehrungen für Politiker massiv verstärkt.

Die Eta hatte vergangenes Wochenende angekündigt, die »Gruppe Y« zu reaktivieren, die Sabotageakte und Aktionen auf der Straße organisieren soll. Die Etarras gingen sogar noch einen Schritt weiter: Sie wollen den Kampf auch auf das französische Baskenland ausdehnen und künftig eng mit ihren dortigen Anhängern kooperieren.

Mit der Rückkehr zu den Waffen dreieinhalb Monate vor den spanischen Parlamentswahlen scheint die Eta die Unterstützungsbereitschaft der baskischen nationalistischen Parteien ausloten zu wollen. Sie beschuldigt den konservativen Ministerpräsidenten José Maria Aznar der »Unbeweglichkeit« im Friedensprozess und wirft ihm damit vor, die Friedenschance verspielt zu haben.

Die Eta verfolgt damit zwei Ziele: Einerseits die Wiederwahl Aznars im kommenden März zu verhindern und andererseits das Baskenland politisch zu spalten. Die Separatisten hatten bereits im Sommer den Dialog mit der spanischen Regierung aufgekündigt, obwohl Regierungschef Aznar über 300 ins Ausland geflohenen Eta-Aktivisten die Rückkehr nach Spanien angeboten und 135 inhaftierte Eta-Mitglieder in baskische Gefängnisse verlegt hatte. Doch das Ziel der Untergrundorganisation - ein unabhängiges Baskenland, also die Ausgliederung aus dem spanischen Staat - kann die Zentralregierung nicht akzeptieren.

Als am vergangenen Wochenende Tausende Spanier auf die Straße gingen, um gegen die Wiederaufnahme der Gewalt zu protestieren, erweckten die Bilder zumindest den Anschein, als ob die Gewaltankündigung der Separatistengruppe zum ersten Mal alle politischen Parteien zusammengeführt habe. Erstmals beteiligten sich alle baskischen Parteien an Mahnwachen, um die Eta von der Wiederaufnahme des Terrors abzuhalten.

Doch die ersten einheitlichen Reaktionen auf das gewaltankündigende Eta-Kommuniqué sind bereits einige Tage danach verblasst. »Die Eta irrt sich, wenn sie meint, mit Gewalt und Erpressung den demokratischen Konsens in Spanien aufbrechen zu können«, kommentierte Aznar die neue Gewaltandrohung. Genau das scheint die Separatistengruppe jedoch erreicht zu haben.

Die baskischen Nationalisten setzen auf den im Sommer 1998 verhandelten Pakt von Lizarra, der die Grundlage für den späteren Waffenstillstand lieferte. Zusammen mit den 14 Abgeordneten der Fraktion Euskal Herritarok (EH) verfügt die Koalitionsregierung der Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV) und der ebenfalls gemäßigt nationalistischen Eusko Alkartasuna (EA) über die absolute Mehrheit im baskischen Parlament. In dem Tolerierungsabkommen von Lizarra verpflichteten sich alle beteiligten Parteien, auf »streng demokratische« Weise und ohne Gewalt die Stellung der baskischen Sprache und Kultur zu stärken.

Schon damals erklärten der konservative Partido Popular (PP) von Ministerpräsident Aznar und die sozialistische PSOE, dass die gemäßigten Nationalisten nun das Spiel der Eta spielen müssten. Doch das jetzige Zusammengehen, um die baskische Abtrennung von Spanien zu erreichen, erhitzt die Gemüter und reißt einen tiefen Graben zwischen der PNV und der konservativen Volkspartei, die im spanischen Parlament immerhin in einer gemeinsamen Koalitionsregierung sitzen.

Die im Baskenland regierende PNV lud die Partei EH - Nachfolgeorganisation der Eta-nahen Herri Batasuna - zu Gesprächen ein, um gemeinsam einen »neuen politisch-juristischen Rahmen zu schaffen, der den Basken das Recht gibt, ihre Zukunft, ihre inneren und äußeren Beziehungen zu gestalten«.

Die spanische Regierung kritisierte daraufhin die baskischen Nationalisten, der Erpressung der Etarras nachzugeben. Die Eta nannte nämlich - neben der »fortdauernden Repressionspolitik« Spaniens und Frankreichs - als Hauptgrund für die Beendigung des 14monatigen Waffenstillstandes, dass sich die regierende PNV und ihr kleinerer Partner Eusko Alkartasuna (EA) nicht an die Vereinbarungen über den Aufbau innerbaskischer Institutionen gehalten hätten und somit den Prozess zur vollständigen Unabhängigkeit des Baskenlandes verschleppen würden.

Der Konflikt zwischen der in Madrid regierenden konservativen Volkspartei Aznars und der Baskisch Nationalistischen Partei PNV scheint nun zu eskalieren. Der Generalsekretär der Regierungspartei, Javier Arenas, gab den baskischen Nationalisten für ihre Annäherung an die Eta-Forderungen die Mitverantwortung für eventuelle Attentate auf Politiker.

Der offene Konflikt zwischen dem PP und den baskischen Nationalisten um Xabier Arzalluz hatte sich schon seit einigen Monaten abgezeichnet. Im Mai unterbrach der PNV-Führer Arzalluz bereits die Gespräche über den baskischen Friedensprozess mit Innenminister Jaime Mayor Oreja nach einer Rede vor der spanischen Staatspolizei, der Guardia Civil. Oreja hatte in seiner Ansprache die Bekämpfung des baskischen Nationalismus als wichtigste Aufgabe der Guardia bezeichnet.

Als die Eta am 29. November auch noch den Waffenstillstand beendete, war der Bruch zwischen Madrid und der PNV perfekt. Aznar verglich Arzalluz und seinen PNV mit Adolf Hitlers Täuschungsstrategie beim Münchener Abkommen 1938 und warf den Nationalisten vor, »eher das Europa der ethnischen Säuberung wie im Kosovo zu bevorzugen als das Europa des Euro«.

Diese Worte waren das vorläufige Ende eines möglichen Dialogs und eines Antiterrorpaktes gegen die Eta. Am vergangenen Freitag brach Arzalluz alle Kontakte mit Madrid ab und gab offiziell bekannt, mit Euskal Herritarok über konkrete »Unabhängigkeitsstrategien« zu verhandeln. Zwar seien die Vorstellungen und das Programm der radikalen Nationalisten »unrealistisch«, doch werde man sich wohl einigen können.

An die Koalitionsregierung in Madrid sandte Arzalluz ein eindeutiges Signal: PNV werde das Haushaltsbudget der Regierung für das Jahr 2000 nicht mittragen und das von der Regierungspartei vorgelegte neue Einwanderungsgesetz im Senat nicht unterstützen. Die Eta hat somit zumindest ein Etappenziel erreicht: Der Dialog zwischen baskischen Nationalisten und den in ganz Spanien vertretenen Parteien ist unterbrochen.