Besser exportieren

50 Jahre und noch mehr: Hermes-Bürgschaften aus Deutschland sichern risikofreie Investitionen im Trikont.

Hermes, der kühne Bote des Zeus, wurde gerufen, wenn ein Helfer in der Not fehlte. Nach der griechischen Mythologie ist er der Gott der Schlaflosen, der Kaufleute und der Diebe. Heute leiht er Kurierdiensten und Versicherungen seinen Namen, zum Beispiel den Hermes-Bürgschaften des Bundeswirtschaftsministeriums, die letzte Woche ihren 50. Geburtstag feierten.

Diese Bürgschaften sind staatliche Versicherungen für deutsche Exporte. Firmen können bei Werner Müllers Ministerium enstprechende Garantien beantragen, wenn sie ihre Ausfuhren gegen Risiken wie die Zahlungsunfähigkeit des ausländischen Kunden absichern wollen.

Die staatliche Hermes-Versicherung bietet dort Bürgschaften an, wo sich privaten Versicherungen nicht mehr finden lassen. In der Regel ist dies bei so genannten risikoreichen Geschäften mit Firmen in Trikont- oder Opec-Ländern der Fall. Oder bei Geschäften mit Staaten, in denen gesellschaftliche Konflikte die reibungslose Abwicklung plötzlich beenden könnten. Sollten private Partner keine Devisen mehr für die aus Deutschland georderte Ware aufbringen können, gehen die Schulden auf den jeweiligen Staat über. Der Trikont-Staat wird zum Schuldner, Deutschland zum Gläubiger. Ein Drittel der Dritte-Welt-Schulden bei der Bundesrepublik, etwa 20 von 60 Milliarden Mark, gehen auf das Konto solcher Hermes-Bürgschaften. Damit subventionieren die Trikontstaaten, u.a. durch Zinszahlungen und Kredit-Tilgungen, Arbeitsplätze in Deutschland. 400 000 Stellen würden nach Informationen von Wirtschaftsminister Werner Müller so gesichert.

Müllers Behörde wickelt dieses Versicherungsgeschäft nicht selbst ab, sondern hat damit private Firmen beauftragt: Verantwortlich ist die Hermes Kreditversicherungs-AG in Hamburg, die zu etwa 90 Prozent der Allianz AG gehört. Nicht ohne Erfolg: Die Bürgschaften »haben in den letzten 50 Jahren entscheidend dazu beigetragen, die Stellung der deutschen Wirtschaft auf den Weltmärkten zu sichern und auszubauen«, heißt es in der Festschrift des Unternehmens.

Während Müller das Jubiläum feierte, sah die Kampagne für eine Reform der Hermes-Bürgschaften keinen Grund zum Jubeln. Die dort zusammengeschlossenen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen kritisieren schon seit Jahren die staatliche Absicherung von umweltschädlichen Großprojekten und Waffengeschäften. Fregatten und Militärlastwagen für die Türkei, U-Boote nach Indonesien, das Atomkraftwerk Mochovce in der Slowakei, Großstaudämme in Chile, Indien und China - die Liste ist lang.

»Für die Bundesregierung scheint das immer noch ein Grund zum Feiern zu sein«, sagte Heike Drillisch, Mitarbeiterin des Bonner Vereins Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung (Weed). Eine Reform sei dringend notwendig, doch die an den Genehmigungen beteiligten Minister hätten wenig Interesse. Die rund 120 Organisationen, die die Kampagne unterstützen, fordern strengere Umwelt- und Sozialstandards. Atomkraftwerke und Rüstungsexporte wollen sie von einer staatlichen Unterstützung ganz ausschließen, ebenso Großstaudämme, durch deren Bau Menschen vertrieben werden. Zudem will sie eine größere Transparenz bei der Vergabe der Bürgschaften erreichen.

Angeblich aus Gründen der Wettbewerbsfreiheit und des Datenschutzes werden die Namen der Firmen, die eine Bürgschaft beantragt haben, nicht genannt. Die Entscheidungen werden im stillen Kämmerlein gefällt. Nur durch Zufall sei die Beteiligung deutscher Firmen an dem geplanten Ilisu-Staudamm in der Türkei, der den Tigris kurz vor der Grenze zu Syrien und dem Irak aufstauen soll, bekannt geworden, berichtet Drillisch. Laut Weed planen die deutschen Firmen Sulzer Hydro und VaTech, elektromechanisches Gerät dort hin zu liefern. Dafür haben sie Bürgschaften beantragt, über deren Genehmigung demnächst vier Ministerien entscheiden müssen: das Wirtschafts-, das Finanz- und das Außen- sowie das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Obwohl das BMZ nach eigenen Angaben die Unterstützung des Staudammes ablehnt, rechnet die Kampagne mit einer Genehmigung. Die nun anstehende Entscheidung ist ein deutlicher Gradmesser dafür, wie sich die rot-grüne Regierung politisch und ökonomisch im Nahen Osten positionieren will. Denn neben der ökologischen Verwüstung und der Vertreibung von Menschen aus ihren Dörfern ist das Projekt für die Türkei ein wichtiges Instrument gegenüber den arabischen Nachbarstaaten und der kurdischen Bevölkerung.

Der Ilisu-Staudamm ist ein Baustein des Güney Anadolu Projesi (Gap), das zahlreiche Dämme an Euphrat und Tigris zur Bewässerung und Energie-Gewinnung umfasst. Die Türkei kann den Weiterfluss des Tigris nach Syrien und in den Irak für mehrere Monate unterbrechen - und hat damit ein wichtiges Erpressungsmittel in der Hand: Während des Golf-Krieges 1991 reduzierte die türkische Regierung den Wasserzufluss zum Irak. Wiederholt drohte sie auch Syrien mit dem Stauen des Wassers, sollte der Staat weiterhin der PKK Zuflucht gewähren.

Wegen des außenpolitischen Konfliktpotenzials hatte die Weltbank das Gap bereits in den achtziger Jahren abgelehnt. Nicht nur deshalb steht die Bank bei Weed hoch im Kurs. An ihren hohen Umwelt- und Sozialstandards könne sich auch die Bundesregierung orientieren, sagt Drillisch. Weed lobt auch die in den USA übliche Einbeziehung von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen in die Großprojekte. Sollten diese Zustände eines Tages auch in Deutschland durchgesetzt werden, könnte auf die Organisatoren der Kampagne bald eine neue Aufgabe zukommen: Sie können die Öko-Berater für die deutsche Exportindustrie spielen.