Sieg des Kreml bei der Duma-Wahl

Hundert Prozent für Tina

Treffer - versenkt. Bei den russischen Duma-Wahlen hat die Kreml-Partei »Einheit« ihrem wichtigsten Rivalen bei den kommenden Präsidentschaftswahlen, dem Block Vaterland-Ganz Russland um Jewgeni Primakow und Juri Luschkow, eine vernichtende Niederlage zugefügt.

Damit hat die Mafia mit den größten Machtmitteln in der Wählergunst den größten Sprung nach vorn gemacht: Die Kreml-Schöpfung Einheit, die im letzten Monat als Partei noch gar nicht existierte, ist mit knapp 25 Prozent der Stimmen etwa gleichauf mit den so genannten Kommunisten. Vaterland-Ganz Russland, im Herbst noch als klarer Favorit bei den Duma-Wahlen gehandelt, erzielte etwas mehr als neun Prozent.

Klasse für den Kreml ist auch das überraschend hohe Ergebnis von knapp neun Prozent für die Strategen der mafiosen Privatisierungen - die im Westen als »junge Reformer« firmieren -, die Union der Rechten Kräfte unter Ex-Premier Sergej Kirijenko. Der äußerte sich überaus zufrieden: »Ich denke, das ist ein gewaltiger Sieg«, sagte er. »Vor zwei Monaten gab uns niemand mehr als zwei Prozent.« Heute hätten sie bewiesen, dass »die liberale Ideologie lebendig« sei. Die Union strebt in der Duma mit der Kreml-Partei ein Bündnis an.

Die Einheit hat zwar kein politisches Programm, unterstützt aber den politischen Kriegsgewinnler, Premier Wladimir Putin. Sie hat mit ihrem Wahlerfolg erneut bewiesen, dass ein kleiner Krieg für die, die gerade im Staat am Drücker sind, zur Eroberung der politischen Hegemonie überaus nützlich sein kann.

Der handfeste Ausdruck der Mafiotisierung, die Finanzaffären und Korruptionsskandale, die im Sommer Jelzin samt »Familie« - sowie einige westliche Banken und internationale Finanzinstitutionen - ins Schwitzen brachten, spielte angesichts der »anti-terroristischen Operation« in Tschetschenien bei den Duma-Wahlen keine Rolle. Die soziale Polarisierung in der russischen Gesellschaft, die noch im letzten Jahr in Streik- und Blockadeaktionen von Arbeitern ihren Ausdruck fand, wurde von der aus dem Krieg resultierenden chauvinistischen Welle unterspült.

Der »Trend zur politischen Mitte«, wie die Nachrichtenagentur AP das Wahlergebnis charakterisiert, verdeckt, dass das ganze parlamentarische Spektrum nach rechts gerückt ist.

Symbolisch für die autoritäre Entwicklung in der russischen Politik waren die drei letzten Premiers gewesen, die Jelzins Familie installiert und die Duma abgenickt hatte. Primakow, Stepaschin und nun Putin kamen alle aus den staatlichen Gewaltapparaten: Primakow und Putin aus den KGB-Strukturen, Stepaschin aus der Polizei. Sie haben sich auf die verschiedenen Parteien - Vaterland-Ganz Russland, Einheit und die »liberale« Jabloko (nunmehr knapp sechs Prozent) - verteilt. Aber das repräsentiert allein den in der autoritären Krisenverwaltung wachsenden Einfluss der repressiven Strukturen - mittlerweile ergänzt durch das via Tschetschenien-Krieg zustande gekommene Bündnis zwischen Putin, Militärs und militärisch-industriellem Komplex.

Der Kreml hat nun sogar die Chance, den Parlamentssprecher zu stellen. Damit wäre die im russischen Präsidialsystem fast machtlose Duma sogar ihrer letzten Bedeutung beraubt: der Kreml-Politik kleine Hindernisse in den Weg zu legen. Darüber braucht man nicht traurig zu sein. Selbst keiner Radikalität verdächtigen Institutionen war es schon vor der Duma-Wahl gedämmert, dass auch in Russland die formale Demokratie dem westlichen Vorbild folgt. In einer Analyse des Bundesinstituts für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien hieß es lapidar: »In gewisser Hinsicht könnte man sogar von den Existenz einer Großen Koalition in Russland mit der Sjuganow-Partei als ihrem informellen Bestandteil sprechen. (...) So trägt die KP zur Stabilisierung des Gesamtsystems bei, indem sie politischen und sozialen Protest kanalisiert und in verfassungskonforme Bahnen lenkt.« Das Ergebnis der Duma-Wahl lässt sich somit auch anders fassen: Hundert Prozent für Tina - »There is no alternative.«