Das Gesetz der Mafia

Die CDU-Skandale zeigen die fortschreitende Mafiotisierung von Politik und Ökonomie.

Schlimme Zeiten sind das, wenn schon in der FAZ bedauert wird, dass ein bestimmter Sprachgebrauch - »Klassentrennung, Klassenspaltung, Klassenkampf« - »vor zehn Jahren aus der Mode geraten« ist. Natürlich geht es hier um die »politische Klasse«, die sich bereitwillig an den Fleischtöpfen der Industrie bedient.

Bedauerlicherweise handelt es sich bei dieser Art populistischer Marx-Rezeption zudem um eine mediale Operation, die das Neue in den jetzt aufscheinenden Skandalen hartnäckig zu ignorieren sucht: die Mafiotisierung von Politik und Ökonomie.

Schon die Formen, in denen bestimmte Spendengeschäfte abgewickelt wurden, legen diesen einfachen Befund nahe: In dem berühmten Geldkoffer übergibt ein Waffenhändler eine Million Mark in bar an die zuständige Parteileiche - auf einem Parkplatz. Ein ehemaliger Bundeskanzler legt mehr Wert auf sein Ehrenwort, das ihn nach dem Prinzip der Omertˆ zum Schweigen über die Namen der edlen Spender verpflichten soll, als auf die Einhaltung des Gesetzes. Und eine Untergliederung der Partei bedient sich schwarzer Konten im Ausland, über die Geld, das zum Teil aus längst vergessenen Affären stammt, nach Deutschland verschoben wurde.

Kein Zufall ist es, dass Spenden dieser Art in engem Zusammenhang mit dem internationalen Waffenhandel stehen, der schon für Dutzende »peinlicher« Affären weltweit gesorgt hat. Unvergessen ist der Iran-Contra-Skandal oder die Agusta-Affäre, die in den neunziger Jahren die Reihen der belgischen Sozialisten lichtete. Und der neue internationale Rüstungswettlauf, den der Nato-Krieg gegen Jugoslawien noch beschleunigt hat, verspricht beste Gewinne für die Rüstungsindustrie und neue Einflussgebiete für die Staaten - beispielsweise in den neuen Nato-Ländern.

Idealtypisch beschrieben wurden Operationen dieser Art von Pino Arlacchi in seinem Buch »Die unternehmerische Mafia. Mafiose Ethik und der Geist des Kapitalismus«. Die Angebotsstruktur, so Arlacchi, vereint auf dem internationalen Waffenmarkt drei Interessentenkreise: zum einen die Rüstungsindustrie eines Landes - mit ihren regelmäßig engen Verbindungen zum militärischen Establishment und den Spitzen der Sicherheitsdienste; dann die modernen Waffenhändler, auch Makler genannt, sowie »den dritten Typ von Machtkoalitionen, die am Waffenexport interessiert sind«.

Diese kommen »durch politische Persönlichkeiten zu Stande, die infolge ihrer Stellung an der Spitze des Entscheidungsprozesses in der Lage sind, Schmiergelder (tangenti) aus dem Verkauf oder dem Kauf zu beziehen. 'Versuchen wir in der Frage ehrlich zu sein, wer die Entscheidungen über den Verkauf von Waffen trifft', hat ein hoher Angestellter einer Rüstungsfirma erklärt. 'Es handelt sich um den Premierminister oder den Präsidenten eines Landes und um den Verteidigungsminister. Sie werden das hinterher abstreiten, aber diese Entscheidungen werden an der Spitze gefällt.'«

Arlacchi konstatierte bereits 1983 einen »sehr viel größeren Umfang unerlaubter Transaktionen« und schlussfolgerte: »Die analytische und praktische Grenze zwischen legalen Geschäften und klandestinem Handel (ist) in den letzten Jahren sehr schwach geworden.« Unter diesem Blickwinkel werden die Beziehungen zwischen Thyssen, Karlheinz Schreiber und der CDU verständlich. Man ahnt, warum Ex-Geheimdienstler zur Abwicklung solcher Geschäfte unentbehrlich sind.

In der Affäre um den Verkauf von Leuna und des Minol-Tankstellennetzes an Elf Aquitaine steht der Verdacht im Raum, dass der französische Konzern Schmiergelder in zweistelliger Millionenhöhe an die deutsche Christen-Partei zahlte. Auch hier ging es um einen strategischen Deal, in dem - wie beim internationalen Waffenhandel - ökonomische und politische Interessen eng verknüpft sind: Der französische Staat wollte die Westbindung des deutschen Staates durch ein ökonomisches Unterpfand in Ostdeutschland verstärken. Und welches Unternehmen eignet sich dafür besser als Elf, das schon als verlängerter Arm des französischen Außenministeriums - oder umgekehrt - in Afrika fungierte? Und das über einschlägige Erfahrungen verfügt - ist Elf doch mit französischen Politikern verschiedenster Parteien durch Beziehungen gegenseitiger Dankbarkeit verbunden, wie die regelmäßigen Skandale um Elf-Parteispenden beweisen.

Das Problem der Parteienfinanzierung hatte schon Marx gekannt, der bemerkte, dass »die Parteien, die abwechselnd um die Herrschaft des Sieges rangen, die Besitznahme des ungeheuren Staatsgebäudes als die Hauptbeute des Sieges betrachteten«. In den modernen Zeiten, in denen die Verschmelzung von Staat und Ökonomie zur Wirklichkeit, die Gewaltenteilung und damit die Kontrolle der Exekutive hingegen zur Fiktion geworden ist, stellt sich das Problem in verschärfter Form.

Von Seiten der einschlägigen Firmen stellt sich das nicht anders dar. Sie haben bei Strafe des Untergangs zu expandieren, dazu müssen sie sich der fortgeschrittensten Techniken und Mittel des Geschäftsganges bedienen. Die Form aber, die diese Geschäfte seit langem angenommen haben, ist die mafiöse. Schröder-Scharping, übernehmen Sie!