Parlamentskrise in Russland

Putin meets KP

Die Überraschung ist perfekt. Wladimir Putin, zugleich Premier und Interims-Präsident im krisengeschüttelten Russland, zeigt sich überaus flexibel in der Auswahl seiner Bündnispartner. Diesmal waren die nationalistischen Sozialdemokraten der KP der russischen Föderation die Auserwählten. Und die restlichen politischen Fraktionen guckten dumm aus der Wäsche.

Dabei war Putins Manöver durchsichtig. Mit den so genannten Kommunisten schloss die Kreml-Partei Einheit, die hinter Putin steht, am Dienstag vergangener Woche einen Pakt zum beiderseitigen Nutzen: Die KP bekommt den Posten des Parlamentssprechers und eine Reihe von Vorsitzenden für die 27 parlamentarischen Komitees. Und Putin hat dafür seinem potenziell stärksten Rivalen bei den Präsidentschaftswahlen Ende März einen harten Schlag verpasst. Denn der, Ex-Premier Jewgeni Primakow, wäre gern selbst Parlamentssprecher geworden. Der Posten hätte eine Machtbasis für den Wahlkampf um die Präsidentschaft sein können.

Erzürnt über diesen Deal zwischen der Partei der Macht und der KP stürzten gut 130 Abgeordnete aus dem Parlamentssaal. Sie stammen aus dem Wahlbündnis Vaterland-Ganz Russland von Primakow und dem Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow, aus der Union der rechten Kräfte, die bei den Duma-Wahlen um Dezember noch mit der Kreml-Partei Einheit ein Bündnis geschlossen hatte, sowie der liberaldemokratischen Partei Jabloko. Und so war die Bahn frei für die Umsetzung des Paktes. Mit 282 Stimmen wurde Gennadi Selesnjow von der KP erneut Parlamentssprecher. Und der rechtsextreme Politclown Wladimir Schirinowski profitierte von der Situation und wurde zum Vize-Parlaments-Chef gewählt.

Die Reaktionen der düpierten Polit-Promis waren scharf. Am Mittwoch - rund hundert Abgeordnete boykottierten die Duma-Sitzung - sprach Luschkow von »ersten Anzeichen einer bolschewistischen Diktatur«. Primakow sagte, man könne die Diskriminierung in der Duma, bei der die Interessen der Minderheit nicht beachtet würden, nicht hinnehmen. Und so geht der Duma-Boykott der drei Fraktionen, der sich einige Abgeordnete aus den Regionen angeschlossen haben, munter weiter. Am Freitag erklärte Jabloko-Chef Gregori Jawlinski, Putin solle an Duma-Ereignissen Interesse zeigen; sein »langes Schweigen« bedeute, dass er die anscheinend aufkommende Allianz aus Einheit und KP billige. KP-Chef Gennadi Sjuganow hingegen meinte, die Protestierenden verhielten sich »provokativ« und hätten einfach nicht den Willen zu arbeiten.

Überaus fraglich ist aber, ob das Bündnis des Ex-KGBlers Putin mit der KP eine strategische Weichenstellung des Kremls ist. In seinen Äußerungen hat Putin bislang einerseits bekräftigt, dass er den ökonomischen Reformkurs Jelzins fortsetzen werde - nicht zuletzt aus Rücksicht auf westliche Kreditgeber. Andererseits betont er regelmäßig die Rolle eines starken Staates, sei es in der Verwaltung des ökonomischen Desasters - was ihn für die KP interessant macht -, sei es in der »Terrorbekämpfung«, sei es in der fortschreitenden autoritären Überformung der russischen Präsidialdiktatur. Das beweist die erst kürzlich durchgesetzte rigide Überwachung von E-Mails und Internet. Im Übrigen wird es weniger auf Putins politischen Willen ankommen, als auf das, wozu er und das russische Establishment gezwungen sein werden, um einen vollständigen Zusammenbruch zu vermeiden.