Walter Schwimmer

»Man wird Haider sehr genau beobachten«

Im Ausland wird die Kritik am Vorhaben der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), eine gemeinsame Regierung mit Jörg Haiders Freiheitlichen (FPÖ) zu bilden, immer lauter. Und immer lauter wird auch Jörg Haider, wenn es darum geht, diese Kritik abzuweisen: Der französische Staatspräsident Jacques Chirac habe »so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen« könne. Und von der »korrupten belgischen Regierung« lasse er sich schon gar nichts sagen. Walter Schwimmer ist Generalsekretär des Europarates, Präsident der österreichisch-israelischen Gesellschaft - und Mitglied der Österreichischen Volkspartei (ÖVP).

Die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen rückt immer näher, und mit ihr nimmt die Kritik aus dem Ausland zu. Wie haben Ihre Kollegen im Europarat reagiert?

Ich wurde natürlich von allen Seiten nach den Hintergründen für die Gespräche zwischen ÖVP und FPÖ gefragt. Das kann ich gut verstehen. Aggressive Reaktionen oder eine aggressive Stimmung gab es aber nicht.

Da haben Sie aber eine eigenartige Wahrnehmung. In den Gremien der Europäischen Union hat man schon mögliche Konsequenzen im Falle einer Regierungsbeteiligung der FPÖ angedroht. Die EU-Parlamentspräsidentin Nicole Fontaine sprach sogar von der Möglichkeit eines Ausschlussverfahrens gegen Österreich.

Ich weiß. Aber noch sind das alles konditionale Aussagen. Sollte sich herausstellen, dass es wegen der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen zu massiven Menschenrechtsverletzungen in Österreich kommt, würde ich auch dafür plädieren, Österreich aus dem Europarat auszuschließen. Aber das wäre auch der Fall, wenn die Freiheitlichen nicht in die Regierung kommen.

Dennoch werden die Warnungen vor einer freiheitlichen Regierungsbeteiligung immer deutlicher. Oder sind das für Sie nur die Sorgen der Unwissenden?

Es sind Ressentiments. Und diese Ressentiments sind auch berechtigt. Als Generalsekretär des Europarates kann ich Herrn Haider davon in Kenntnis setzen, dass seine Worte und Taten von der internationalen Gemeinschaft sehr genau beobachtet werden - doppelt so genau wie bei anderen. Aber glücklicherweise wird es ja zu keiner reinen Regierung der Freiheitlichen kommen, sondern zu einer Koalitionsregierung.

Was Haiders Worte angeht, so müssten doch jetzt schon internationale Taten folgen. Hier wird die SS gelobt, dort wird ein Zuwanderungs-Stopp für Ausländer angekündigt. Zuletzt konterte der FPÖ-Chef die Kritik aus Belgien mit dem Satz, er lasse sich von einer Regierung nichts sagen, die mit Kinderschändern und Verbrechern Arrangements treffe. Ist das der neue diplomatische Stil?

Das ist nicht die Reaktion, die ich dem Herrn Haider raten würde.

Da unterscheiden Sie sich kaum von Ihrem Parteichef Wolfgang Schüssel. Der hat gesagt, der Stil sei zwar unglücklich gewählt, aber in der Argumentation Haiders würde ja auch etwas Wahrheit stecken.

Dann würde ich auch Herrn Schüssel raten, eher aufzuwiegeln als abzuwiegeln. Er sollte klug genug dafür sein.

Ist er aber offenbar nicht. Schließlich trauen ihm auch seine christdemokratischen Kollegen in Europa zu, sich durch die Koalition mit den Freiheitlichen endgültig ins europäische Abseits zu stellen und Österreich gleich mitzunehmen. Was sind für Sie die Hintergründe der Kritik aus dem Ausland?

Wenn beispielsweise der französische Staatspräsident Jacques Chirac über Haider spricht, so meint er in Wirklichkeit den französischen Front National. Wenn ein belgischer Politiker den Namen Jörg Haider im Munde führt, so meint er den Vlaams Blok. Ich glaube, vieles von der jetzt vorgetragenen Kritik an den Freiheitlichen in Österreich hat mit der innenpolitischen Situation in den jeweiligen Staaten zu tun. So lässt sich das erklären.

Alles ist nur eine Projektion? Und die europäischen Staaten sollten sich lieber mit ihren eigenen Problemen beschäftigen?

Nein. Die österreichische Regierung muss auch zeigen, dass sie mit dieser Kritik umgehen kann. Da muss sie Taten folgen lassen.

Aber gerade vor diesen Taten muss man sich doch fürchten. Wenn Haider auch nur einige von seinen Parolen, Sprüchen und Ankündigungen durch die Regierung umsetzen lässt, wird es für viele Menschen gefährlich.

Ich gebe zu, dass die Hypotheken durch die Vergangenheit Haiders größer sind als bei anderen Parteien. Auch ich bin besorgt. Deshalb muss man von der neuen Regierung auch einfordern, sich mehr anzustrengen und damit zu zeigen, dass Österreich auch weiter in dieses Europa passt.

Gibt es von Ihren Kollegen im Europarat auch Kritik an Wolfgang Schüssels Vorhaben, um jeden Preis Bundeskanzler von Österreich werden zu wollen? Und gibt es Kritik an Ihnen als Mitglied der ÖVP?

Ich muss da keine Kritik einstecken. Ich habe ja glücklicherweise keine Funktion und kein Amt mehr in der ÖVP. Deshalb muss ich auch diese Koalition nicht rechtfertigen. Das wäre auch schwierig, weil ich immer als Verfechter einer großen Koalition mit den Sozialdemokraten gegolten habe. Außerdem ist es eine oberflächliche Analyse, Wolfgang Schüssel zu unterstellen, er würde diese Regierungskoalition bloß anstreben, weil er unbedingt Kanzler werden will. Das ist eine verkürzte Darstellung. Vielmehr hatte Schüssel die Wahl zwischen der Neuauflage einer gescheiterten Koalition und der Bildung einer neuen Konstellation.

Schüssel hätte sich auch beiden Seiten verweigern und so den Weg für Neuwahlen frei machen können. Da aber bei Neuwahlen die ÖVP weiter verlieren würde, hat er sich für die Freiheitlichen entschieden.

Wenn Schüssel Neuwahlen riskiert hätte, wäre nicht nur die ÖVP noch schwächer, die FPÖ wäre auch noch stärker geworden. Das ist eben das österreichische Dilemma. Es kann bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen nur eine große Koalition oder eine Regierung mit der FPÖ geben.

Sie sind auch Präsident der österreichisch-israelischen Gesellschaft. Ist das für Sie zur Zeit ein angenehmer Job?

Ich wurde von der israelischen Beobachterdelegation beim Europarat natürlich auf die Vorgänge in Österreich angesprochen. Seit 20 Jahren arbeite ich an einer Verbesserung der Beziehungen Österreichs zu Israel, da können Sie sich sicher vorstellen, dass ich mit einer Verschlechterung dieser Beziehungen durch eine neue Koalition keine Freude habe. Ich bedauere sehr, dass es momentan so aussieht, als könnte es gar zu einer Abberufung des israelischen Botschafters aus Österreich kommen.